Die Unvergänglichen: Thriller (German Edition)
Bettler. Wie ein Dittler. Ein Bettieb. Ein …
»Doktor?«
Richard erkannte, dass er zu lange mit leerem Blick vor sich hingestarrt hatte, und zwang sich zu einem höflichen Lächeln, als der Mann weitersprach.
»Als Erstes muss ich Ihnen recht geben, dass das eine schreckliche Krankheit ist, die weitaus größere finanzielle Ressourcen verdient hätte, als sie erhält. Manchmal fällt es uns schwer zu glauben, wofür alles Geld ausgegeben wird – sowohl von normalen Menschen als auch von der Regierung. Ich bin der Ansicht, dass jede Kinderkrankheit auf der Welt innerhalb weniger Jahre geheilt werden könnte, wenn wir alle auf unsere Großbildfernseher verzichten würden.«
Es war leicht zu erkennen, dass diese kleine Rede klang, als hätte er sie auswendig gelernt.
»Ich weiß, dass ich für uns alle spreche, wenn ich sage, dass es für die Progeriespenden keine Grenzen geben sollte. Dass wir uns wünschen, uns wären keine Grenzen gesetzt.«
Richard lächelte weiter, auch wenn er vermutete, dass er langsam aussah wie ein Gebrauchtwagenhändler aus Südkalifornien.
»Zum Zweiten kann ich Ihnen versichern, dass wir Ihre Position verstehen und Mitgefühl mit Ihnen haben. Mehr, als Sie sich vorstellen können. Außerdem ist Ihnen Ihr Ruf als brillanter und verantwortungsbewusster Wissenschaftler vorausgeeilt. Wir würden sehr gern mit Ihnen arbeiten.«
Der Mann schwieg und schien unsicher zu sein, wie er fortfahren sollte, woraufhin die Frau zu seiner Rechten seinen Gedankengang fortsetzte.
»Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Doktor: Wie viele Kinder leiden in diesem Moment an Progerie?«
»Meiner Ansicht nach ist es unwichtig, wie viele es sind, Ma’am …«
»Da bin ich anderer Meinung. Sie wollten vermutlich sagen, dass es unwichtig sein
sollte
, wie viele es sind. Sind es weltweit etwa fünfzig Kinder?«
Er kannte die Richtung, die dieses Gespräch jetzt einschlagen würde, hatte aber bisher noch keinen Weg gefunden, sie zu umgehen. »Ungefähr.«
»Ungefähr«, wiederholte sie. »Eines von acht Millionen Kindern leidet an diesem Syndrom, ist das korrekt?«
»Ja, etwas in der Art.«
»Und es besteht auch nicht das Risiko einer Ausbreitung, da diese Kinder nicht alt genug werden, um selbst Nachwuchs zu haben, was mir überaus leidtut.«
Er nickte und spürte, wie sich der Schweiß an seinem Haaransatz sammelte. Das konnte daran liegen, dass die Klimaanlage noch nicht auf die Sonne, die durch die Fenster hereinschien, reagiert hatte. Oder es lag an dem Mann ganz rechts, der bisher noch nicht einen Ton von sich gegeben hatte. Er saß einfach nur da und starrte ihn an.
»Sie dürfen nicht denken, dass ich das Leid dieser Kinder verharmlosen möchte«, fuhr sie fort. »Denn dem ist nicht so. Doch während Ihrer Präsentation sind mehr Kinder an Malaria gestorben, als es im Verlauf der Geschichte der modernen Medizin Progerieopfer gegeben hat.«
Endlich erwachte der Mann auf der rechten Seite zum Leben und beugte sich vor. »Und wir reden über eine genetische Erkrankung, die außerordentlich schwer zu heilen oder auch nur einzudämmen ist. Ist das korrekt?«
»Das ist richtig«, bestätigte Richard und beschloss, dass die Zeit für eine fragwürdige und nicht ganz ehrliche Taktikänderung gekommen war. In verzweifelten Zeiten musste man verzweifelte Maßnahmen ergreifen. »Doch ein Heilmittel gegen Progerie könnte weitreichend eingesetzt werden. Damit ließen sich allgemeine Alterungsprobleme behandeln, die …«
Der Mann in der Mitte hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen. »Bei diesem Kampf sind noch andere Kräfte im Spiel, Richard. Unsere Stiftung beschäftigt sich nur mit Kinderkrankheiten, von denen jede einzelne unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung verdient hat. Dummerweise sind diese beiden Ressourcen jedoch nur begrenzt verfügbar.«
2
Außerhalb von Baltimore, Maryland
8. April
Richard umklammerte seinen Teller, während seine Frau Würstchen von dem rostigen Grill, der im Garten hinter dem Haus stand, darauf häufte. Bis vor wenigen Monaten hatte er an der Hauswand gestanden, doch dann war ihnen aufgefallen, dass die glänzende mauve Farbe abblätterte und in ihr Essen fiel. Vermutlich hatte er nicht gründlich nachgedacht, als er seiner Tochter in einem unbedachten Moment erlaubt hatte, die Seitenwand in »irgendeiner« Farbe anzustreichen.
Die Sonne ging hinter dem Horizont unter und ließ die Pfosten des schiefen Zauns, das zersprungene Küchenfenster und den
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