Die Unvollendete: Roman (German Edition)
strahlend an Sylvie.
»Sechs. Vielleicht bist du auch Großmutter, Izzie.«
»Was?«, sagte Maurice. »Wie sollte das möglich sein?«
»Wie auch immer«, sagte Izzie leichthin, »es nimmt den Druck von Ursula, auch eins zu produzieren.«
»Produzieren?«, sagte Ursula, und ihre Hand mit einer Gabelvoll Lachs in Aspik hielt auf dem Weg zum Mund inne.
»Sieht aus, als ob du ein Ladenhüter wärst«, sagte Maurice.
»Wie bitte?« Die Gabel kehrte auf den Teller zurück.
»Immer die Brautjungfer …«
»Einmal«, sagte Ursula. »Ich war nur ein einziges Mal Brautjungfer, bei Pamela.«
»Wenn du ihn nicht isst, esse ich ihn«, sagte Jimmy und stibitzte ihr den Lachs.
»Ich wollte ihn eigentlich essen.«
»Das ist ja noch schlimmer«, sagte Maurice. »Außer deiner Schwester will dich noch nicht mal jemand als Brautjungfer.« Er kicherte, eher Schuljunge als Mann. Zu ihrem Ärger saß er zu weit entfernt, als dass sie ihn unter dem Tisch hätte treten können.
»Benimm dich, Maurice«, murmelte Edwina. Wie oft enttäuschte er einen am Tag, wenn man mit ihm verheiratet war?, fragte sich Ursula. Ihr schien, dass man auf der Suche nach Argumenten gegen die Ehe in der Existenz von Maurice das allerbeste gefunden hatte. Edwina war derzeit etwas vor den Kopf gestoßen aufgrund des Chauffeurs, der ein recht attraktives Mädchen in der Uniform des Frauencorps war. Sylvie hatte sehr zu ihrer Verlegenheit (sie hieß Penny, aber das vergaßen alle sofort wieder) darauf bestanden, dass sie sich zu ihnen an den Tisch setzte, obwohl offensichtlich war, dass sie viel lieber im Auto oder bei Bridget in der Küche geblieben wäre. Sie saß eingezwängt am Ende des Tisches bei den Evakuierten und war das Ziel zahlloser frostiger Blicke seitens Edwina. Maurice dagegen ignorierte sie geflissentlich. Ursula versuchte, eine Bedeutung darin zu finden. Sie wünschte, Pamela wäre da, sie war sehr gut darin, Menschen zu deuten, wenn auch vielleicht nicht ganz so gut wie Izzie. (»Wie ich sehe, war Maurice ungezogen. Sie ist allerdings auch ein Hingucker. Frauen in Uniform, welcher Mann könnte da widerstehen.«)
Philip und Hazel saßen teilnahmslos zwischen ihren Eltern. Sylvie hatte Maurice’ Kinder nie besonders gemocht, während sie große Freude an den beiden Evakuierten hatte, Barry und Bobby (»meine zwei fleißigen Bienen«), die gerade unter dem Regency-Revival-Esstisch herumkrochen und manisch kicherten. »Immer Unsinn im Sinn«, sagte Sylvie nachsichtig. Die Evakuierten, wie alle sie nannten, als würden sie einzig von ihrem Status definiert, waren von Bridget und Sylvie geschrubbt und poliert worden, bis sie vollkommen unschuldig aussahen, aber nichts konnte ihre Lausbubennatur bändigen. (»Was für kleine Schreckenskinder«, sagte Izzie und schauderte.) Ursula mochte sie, sie erinnerten sie an die kleinen Millers. Wären sie Hunde gewesen, hätten sie ununterbrochen mit dem Schwanz gewedelt.
Sylvie hatte jetzt auch zwei echte Welpen, leicht erregbare schwarze Labradors, die ebenfalls Brüder waren. Sie hießen Hector und Hamish, schienen jedoch allgemein, da man sie nicht voneinander unterscheiden konnte, »die Hunde« genannt zu werden. Die Hunde und die Evakuierten hatten offensichtlich zu der neuen Schäbigkeit von Fox Corner beigetragen. Sylvie schien sich mit diesem Krieg besser abzufinden als mit dem letzten. Hugh schlechter. Er war dazu »gedrängt« worden, die Bürgerwehr auszubilden, und hatte erst diesen Morgen nach dem Gottesdienst die »Damen« der örtlichen Kirchengemeinde im Gebrauch der Kübelspritze unterwiesen.
»Ist das angebracht an einem Sonntag?«, fragte Edwina. »Gott ist gewiss auf unserer Seite, aber …« Sie ließ den Satz unvollendet, da sie nicht in der Lage war, eine theologische Position zu vertreten, obwohl sie »eine fromme Christin« war, was laut Pamela hieß, dass sie ihre Kinder oft schlug und sie zum Frühstück essen ließ, was sie abends verschmäht hatten.
»Natürlich ist es angebracht«, sagte Maurice. »In meiner Rolle als Organisator der zivilen Verteidigung –«
»Ich betrachte mich nicht als ›Ladenhüter‹, wie du dich so charmant ausgedrückt hast«, unterbrach Ursula ihn gereizt. Wieder verspürte sie kurz den Wunsch nach Crightons ordensgeschmückter, betresster Anwesenheit. Wie entsetzt Edwina wäre, wüsste sie von Egerton Gardens. (»Und wie geht’s dem Admiral?«, fragte Izzie später im Garten sotto voce wie eine Verschwörerin, denn sie wusste es
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