Die Unvollendete: Roman (German Edition)
dem Zug gekommen, mit drei kleinen Jungen und einem Baby auf dem Arm, kannst du dir das vorstellen? Sie war Stunden unterwegs.«
»Ein Albtraum«, sagte Crighton mitfühlend.
(»Pammy!«, sagte Hugh. Er freute sich ungeheuer.
»Alles Gute zum Geburtstag, Daddy«, sagte Pamela. »Ich habe leider kein Geschenk, nur uns.«
»Mehr als genug«, sagte Hugh und strahlte.)
» Und Koffer und den Hund. Sie ist so unerschütterlich. Meine Heimfahrt dagegen war eine andere Art Albtraum. Maurice, Edwina, ihre langweiligen Kinder und der Chauffeur. Ein sehr hübsches Mädchen vom Frauencorps.«
»Du meine Güte«, sagte Crighton, »wie hat er das geschafft? Ich versuche seit Monaten eine Mitarbeiterin der Kriegsmarine zu kriegen.« Sie lachte und blieb bei ihm in der Küche, während er Kakao kochte. Sie tranken ihn im Bett, und sie erzählte ihm etwas ausgeschmückte Geschichten vom vergangenen Tag (sie sah es als ihre Pflicht an, ihn zu unterhalten). Was unterschied sie letztlich von jedem anderen verheirateten Paar? Vielleicht der Krieg. Vielleicht auch nicht.
»Ich glaube, ich muss mich melden«, sagte sie. Sie dachte an das Mädchen vom Frauencorps. »›Meinen Teil beitragen‹, wie es heißt. Mir die Hände schmutzig machen. Jeden Tag lese ich Berichte über Leute, die mutige Dinge tun, und meine Hände bleiben sauber.«
»Du trägst deinen Teil bereits bei«, sagte er.
»Wie denn? Indem ich die Marine unterstütze?«
Er lachte und zog sie in seine Arme. Er küsste ihren Nacken, und während sie dalag, ging ihr durch den Kopf, dass sie möglicherweise glücklich war. Oder, um präziser zu sein, zumindest so glücklich, wie es in diesem Leben möglich war.
Auf der quälenden Rückfahrt nach Egerton Gardens hatte sie gedacht, dass »Zuhause« weder Egerton Gardens noch Fox Corner war. Zuhause war eine Idee, und wie Arkadien war sie in der Vergangenheit untergegangen. Sie hatte den Tag bereits in ihrem Gedächtnis unter »Hughs sechzigster Geburtstag« abgespeichert, eins in einer Reihe von Familientreffen. Später, als sie wusste, dass sie zum letzten Mal alle zusammen waren, wünschte sie, sie wäre aufmerksamer gewesen.
Am Morgen erwachte sie, als Crighton ihr ein Tablett mit Tee und Toast brachte. Sie hatte dem höheren Dienst für seine Häuslichkeit zu danken, nicht Wargrave.
»Danke«, sagte sie und setzte sich auf. Sie war noch immer erschöpft vom gestrigen Tag.
»Leider gibt es schlechte Nachrichten«, sagte er und zog die Vorhänge auf.
Sie dachte an Teddy und Jimmy, obwohl sie wusste, dass sie zumindest an diesem Morgen sicher in ihren Betten in Fox Corner lagen, in ihrem früheren Kinderzimmer, das einst auch Maurice’ Zimmer gewesen war.
»Was für schlechte Nachrichten?«, fragte sie.
»Norwegen ist gefallen.«
»Das arme Norwegen«, sagte sie und nippte an dem heißen Tee.
November 1940
P amela schickte ein Paket mit Babykleidung, aus der Gerald herausgewachsen war, und Ursula dachte an Mrs. Appleyard. Wenn sie nicht zufällig ein paar Wochen zuvor Renee Miller begegnet wäre, hätte sie vielleicht nicht an Mrs. Appleyard gedacht. Seit sie nach Egerton Gardens gezogen war, hatte sie keinen Kontakt mehr zu den Bewohnern der Argyll Road, was sie durchaus bedauerte, da sie die Misses Nesbit gemocht hatte und sich oft fragte, wie sie die unermüdlichen Bombardierungen ertrugen.
Ursula war mit Jimmy »in der Stadt gewesen«, wie er sich ausdrückte, da er ein paar Tage Urlaub in der Hauptstadt machte. Dank eines Blindgängers – manchmal waren nicht explodierte Bomben ein größeres Ärgernis als explodierte – waren sie im Charing Cross Hotel gelandet und hatten im Café im ersten Stock Zuflucht gesucht.
»Dort drüben sitzt ein ziemlich nuttiges Mädchen mit viel Lippenstift und großen Zähnen, die dich zu kennen scheint«, sagte Jimmy.
»Du meine Güte, Renee Miller«, sagte Ursula, als sie Renee sah, die ihr eifrig zuwinkte. »Und wer um alles in der Welt ist der Mann? Er sieht aus wie ein Gangster.«
Renee war überschwenglich, als wären sie und Ursula in einem früheren Leben beste Freundinnen gewesen (»Sie ist ziemlich lebhaft«, sagte Jimmy und lachte, nachdem sie entkommen waren), und bestand darauf, dass sie sich für einen Drink zu ihr und »Nicky« setzten. Nicky selbst schien nicht gerade begeistert von der Idee, schüttelte ihnen aber die Hand und winkte dem Kellner.
Renee informierte Ursula über »die Machenschaften« in der Argyll Road, obwohl nicht viel passiert
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