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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Sylvie Bridget rufen konnte, stand er vom Tisch auf und trug den Topf selbst in die Küche. Ihr kleines Mädchen für alles, Marjorie, die nicht länger klein war, hatte sie vor kurzem verlassen, und Bridget und Mrs. Glover mussten die Bürde, sich um sie zu kümmern, jetzt allein tragen. (»Wir sind nun wirklich nicht anspruchsvoll«, sagte Sylvie verdrossen, als Bridget erwähnte, dass ihr Lohn seit Kriegsende nicht mehr erhöht worden war. »Sie sollte dankbar sein.«)

    Abends im Bett – Ursula und Pamela teilten sich noch immer das kleine Zimmer auf dem Dachboden (»wie Häftlinge in einer Zelle«, laut Teddy) – sagte Pamela: »Warum hat sie mich nicht eingeladen oder uns beide zusammen?« Da es sich um Pamela handelte, zeugte die Frage von ungeheuchelter Neugier und nicht von Boshaftigkeit.
    »Sie hält mich für interessant.«
    Pamela lachte und sagte: »Sie hält Mrs. Glovers Rindfleischeintopf für interessant. «
    »Ich weiß. Ich fühle mich nicht geschmeichelt.«
    »Sie hat dich eingeladen, weil du hübsch und schlau bist«, sagte Pamela, »während ich nur schlau bin.«
    »Das stimmt nicht, und das weißt du auch«, sagte Ursula, die Pamela hitzig verteidigte.
    »Es macht mir nichts aus.«
    »Sie hat gesagt, dass sie nächste Woche über mich in der Zeitung schreiben will, aber ich glaube nicht, dass sie es tun wird.«

    Als Ursula Pamela von den Abenteuern des Tages berichtete, ließ sie eine Begebenheit aus, die nur sie und nicht Izzie gesehen hatte, da Izzie damit beschäftigt gewesen war, das Auto mitten auf der Straße vor dem Coal Hole zu wenden. Eine Frau in einem Nerzmantel kam am Arm eines sehr eleganten Mannes aus dem Eingang des Savoy. Die Frau lachte unbeschwert über etwas, was der Mann gerade gesagt hatte, doch dann ließ sie seinen Arm los, um in ihrer Handtasche nach ihrer Geldbörse zu kramen und eine Handvoll Münzen in die Schale eines auf dem Boden sitzenden, ehemaligen Soldaten zu werfen. Der Mann hatte keine Beine mehr und saß auf einem behelfsmäßigen hölzernen Wägelchen. Ursula hatte vor Marylebone einen anderen beinlosen Mann auf einem ähnlichen fahrbaren Untersatz gesehen. Je länger sie sich in den Straßen von London umschaute, umso mehr Amputierte sah sie.
    Ein Portier des Hotels kam heraus und näherte sich dem beinlosen Mann, der rasch davonrollte, indem er sich mit den Händen von der Straße abstieß. Die Frau, die ihm das Geld geschenkt hatte, wies den Portier zurecht – Ursula konnte ihr hübsches ungeduldiges Gesicht erkennen, aber dann fasste sie der elegante Mann sanft am Ellbogen und führte sie auf der Strand davon. Das Bemerkenswerte war nicht die Begebenheit als solche, sondern die daran beteiligten Personen. Den eleganten Mann hatte Ursula noch nie zuvor gesehen, aber die aufgeregte Frau war – zweifellos – Sylvie. Wenn sie Sylvie nicht erkannt hätte, hätte sie den Nerz erkannt, den Hugh ihr zu ihrem zehnten Hochzeitstag geschenkt hatte. Sie war sehr weit entfernt von Gerrards Cross.
    »O Gott«, sagte Izzie, als der Wagen endlich richtig stand, »das war ein schwieriges Manöver.«

    In der nächsten Woche stand tatsächlich nichts, nicht einmal in erfundener Form, über Ursula in Izzies Kolumne. Sie hatte stattdessen über die Freiheit geschrieben, die der Besitz »eines kleinen Autos« einer alleinstehenden Frau einbrachte. »Es ist weit erfreulicher, mit einem Auto auf einer offenen Straße zu fahren, als in einem schmutzigen Omnibus eingesperrt zu sein oder in einer dunklen Gasse von einem Fremden verfolgt zu werden. Am Steuer eines Sunbeam muss man nicht nervös über die Schulter blicken.«
    »Das ist wirklich grauenvoll«, sagte Pamela. »Meinst du, dass ihr das passiert ist? Dass sie auf der Straße von einem Fremden verfolgt wurde?«
    »Bestimmt viele Male.«
    Ursula wurde nicht wieder aufgefordert, Izzies »Freundin« zu sein, ja sie hörten überhaupt nichts mehr von ihr, bis sie an Heiligabend vor der Tür stand (eingeladen, aber nicht erwartet) und erklärte, sie »stecke ein bisschen in der Klemme«, ein Zustand, der es erforderlich machte, dass sie sich mit Hugh in sein Refugium zurückzog, aus dem sie eine Stunde später nahezu bedrückt wieder herauskam. Sie hatte keine Geschenke mitgebracht, rauchte während des gesamten Essens und stocherte lustlos in ihrem herum. »Jährliches Einkommen zwanzig Pfund«, sagte Hugh, als Bridget den mit Brandy vollgesogenen Pudding auf den Tisch stellte. »Jährliche Ausgabe zwanzig Pfund

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