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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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einen Kratzer überstanden hatte. Und dann eines Tages im Frühling 1921 erstach er seine Frau und seine drei Kinder im Schlaf und schoss sich anschließend selbst mit einer Mauser in den Kopf, die er einem von ihm bei Bapaume getöteten deutschen Soldaten abgenommen hatte. (»Eine schreckliche Sauerei«, berichtete Dr. Fellowes. »Die Kerle sollten an die Leute denken, die nach ihnen sauber machen müssen.«)
    Bridget hatte selbstredend »ihr eigenes Kreuz zu tragen«, den Verlust von Clarence. Wie Izzie hatte sich Bridget damit abgefunden, ledig zu bleiben, doch sie nahm es auf weniger euphorische Weise hin. Sie waren alle bei Clarence’ Beerdigung gewesen, sogar Hugh. Mrs. Dodds war wie üblich sehr zurückhaltend und zuckte zusammen, als Sylvie ihr eine tröstliche Hand auf den Arm legte, und als sie sich von dem klaffenden Loch des Grabs entfernten (nichts von großer Schönheit, ganz und gar nicht), sagte Mrs. Dodds zu Ursula: »Ein Teil von ihm ist schon im Krieg gestorben. Das war nur der Rest, der aufgeholt hat.« Und sie tupfte sich mit dem Finger eine Spur von Feuchtigkeit im Augenwinkel ab – Träne wäre eine übertriebene Bezeichnung dafür.
    Ursula wusste nicht, warum sie für diese Vertraulichkeit erwählt worden war, vielleicht einfach weil sie die Person war, die direkt neben ihr stand. Eine Antwort wurde nicht erwartet und nicht gegeben.
    »Es ist schon eine Ironie des Schicksal«, sagte Sylvie, »dass Clarence den Krieg überlebt hat, nur um an einer Krankheit zu sterben.« (»Was hätte ich getan, wenn einer von euch sich mit der Grippe angesteckt hätte?«, sagte sie oft.)
    Ursula und Pamela diskutierten eine nicht unerhebliche Weile, ob Clarence mit der Maske oder ohne begraben worden war. (Und wenn ohne, wo war sie jetzt?) Sie trauten sich nicht, Bridget danach zu fragen. Bridget sagte bitter, dass die alte Mrs. Dodds ihren Sohn jetzt endlich für sich allein habe und keine andere Frau ihn ihr mehr wegnehmen könne. (»Das ist ein bisschen hart«, murmelte Hugh.) Clarence’ Foto, ein Abzug des Fotos, das für seine Mutter aufgenommen worden war, bevor Bridget ihn kannte, bevor er seinem Schicksal entgegenmarschierte, lag jetzt neben dem von Sam Wellington im Schuppen. »Die endlosen Reihen der Toten«, sagte Sylvie zornig. »Alle wollen sie vergessen.«
    »Ich auf jeden Fall«, sagte Hugh.

    Sylvie kehrte rechtzeitig zu Mrs. Glovers Apfelcharlotte zurück. Es waren ihre eigenen Äpfel – der kleine Obstgarten, den Sylvie am Ende des Kriegs angelegt hatte, begann Früchte zu tragen. Als Hugh fragte, wo sie gewesen sei, sagte sie etwas Unbestimmtes über Gerrards Cross. Sie setzte sich an den Esstisch und sagte: »Ich habe keinen großen Hunger.«
    Hugh fing ihren Blick auf, nickte in Richtung Ursula und sagte: »Izzie.« Eine erlesene Kurzmitteilung.
    Ursula hatte mit einer eingehenden Befragung gerechnet, doch Sylvie sagte nur: »Du meine Güte, ich hatte ganz vergessen, dass du in London warst. Freut mich zu sehen, dass du unversehrt zurückgekehrt bist.«
    »Einwandfrei«, sagte Ursula fröhlich. »Weißt du übrigens, wer gesagt hat: Ein großes Einkommen ist das beste Rezept für das Glück, von dem ich je gehört habe? « Sylvies Wissen war wie Izzies rein zufällig, aber weitreichend. »Ein Zeichen dafür, dass man sein Wissen aus Romanen und nicht aus der Schule hat«, laut Sylvie.
    »Austen«, sagte Sylvie prompt. » Mansfield Park. Sie legt die Worte Mary Crawford in den Mund, die sie natürlich verachtet, aber ich glaube, dass die liebe Tante Jane es tatsächlich geglaubt hat. Warum?«
    Ursula zuckte die Achseln. »Einfach so.«
    » Bevor ich nach Mansfield kam, hatte ich mir nicht vorgestellt, dass ein Landpfarrer jemals nach einer solchen Anlage oder etwas von der Art trachten würde. Wunderbares Zeug. Ich denke immer, dass das Wort Anlage für eine bestimmte Art von Person steht.«
    »Wir haben eine Anlage«, sagte Hugh, doch Sylvie ignorierte ihn und sprach weiter zu Ursula. »Du solltest wirklich Jane Austen lesen. Du bist jetzt im richtigen Alter.« Sylvie wirkte ziemlich gut gelaunt, eine Stimmung, die irgendwie nicht zu dem Hammeleintopf passte, der noch immer in dem dumpf braunen Topf auf dem Tisch stand und auf der Oberfläche kleine gelierende Fettlachen bildete. »Also wirklich«, sagte Sylvie streng. Ihre Stimmung war so rasch umgeschlagen wie das Wetter. »Überall sinkt das Niveau, sogar im eigenen Haus.« Hugh zog die Augenbrauen in die Höhe, und bevor

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