Die Unvollendete: Roman (German Edition)
auf ihrem Körper, sie war gewaschen, ihr Haar war gekämmt und mit Schleifen versehen. Abgesehen von den drei dem Krieg geopferten Söhnen hatten die Daunts einst eine Tochter, die als Baby starb, und die Aufbewahrung der kleinen Leiche hatte Lady Daunt veranlasst, ihren alten Schmerz auszugraben, und eine Weile lang war sie außer sich gewesen. Sie wollte das Mädchen auf ihrem Anwesen bestatten, doch die Dorfbewohner murrten rebellisch und bestanden darauf, dass sie auf dem Kirchhof beerdigt wurde. »Nicht versteckt als Lady Daunts Schoßhündchen«, sagte jemand. Ein seltsames Schoßhündchen, dachte Ursula.
Weder ihre Identität noch die ihres Mörders wurde je aufgedeckt. Die Polizei befragte alle in der Gegend. Eines Abends kamen sie nach Fox Corner, und Pamela und Ursula erhängten sich fast am Treppengeländer, um zu hören, was gesprochen wurde. Bei diesem Lauschangriff erfuhren sie, dass niemand im Dorf verdächtigt wurde und dass dem Kind »schreckliche Dinge« angetan worden waren.
Schließlich wurde das Mädchen am letzten Tag des Jahres begraben, aber nicht bevor der Vikar sie getauft hatte, da man übereinstimmend der Meinung war, dass sie nicht namenlos beerdigt werden sollte, auch wenn sie entschlossen war, ein Rätsel zu bleiben. Niemand konnte sagen, wie man auf »Angela« gekommen war, aber der Name schien angemessen. Nahezu das gesamte Dorf nahm an der Beerdigung teil, und viele weinten heftiger um Angela, als sie es jemals für ihr eigenes Fleisch und Blut getan hatten. Es herrschte Traurigkeit, nicht Furcht, und Pamela und Ursula sprachen oft darüber, warum genau alle, die sie kannten, als unschuldig betrachtet wurden.
Lady Daunt war nicht die Einzige, die von dem Mord auf seltsame Weise betroffen war. Sylvie war besonders irritiert und nicht so sehr traurig als vielmehr zornig. »Das Schlimmste ist nicht, dass sie umgebracht wurde«, schäumte sie, »obwohl das bei Gott schrecklich genug ist, es ist, dass niemand sie vermisst. «
Teddy hatte wochenlang Albträume und kroch mitten in der Nacht zu Ursula ins Bett. Sie wären für immer diejenigen, die sie gefunden hatten, die den kleinen schuhlosen, strumpflosen Fuß gesehen hatten – der schmutzig und blau unter den toten Ästen einer Ulme hervorragte, ihr Körper bedeckt von einem kalten Leichentuch aus Laub.
11. Februar 1926
S üße Sechzehn«, sagte Hugh und küsste sie liebevoll. »Alles Gute zum Geburtstag, kleiner Bär. Du hast deine ganze Zukunft noch vor dir.« Ursula hatte das Gefühl, dass ein Teil ihrer Zukunft bereits hinter ihr lag, aber sie hatte gelernt, diese Dinge nicht anzusprechen. Eigentlich hatten sie nach London zum Nachmittagstee im Berkeley (es waren Ferien) fahren wollen, aber Pamela hatte sich vor kurzem bei einem Hockey-Spiel den Knöchel verstaucht, und Sylvie erholte sich von einer Rippenfellentzündung, deretwegen sie eine Nacht im örtlichen Krankenhaus verbracht hatte (»Ich glaube, ich habe die Lunge meiner Mutter«, eine Bemerkung, die Teddy jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, komisch fand). Und Jimmy hatte gerade wieder einmal eine Mandelentzündung hinter sich. »Sie fallen um wie die Fliegen«, sagte Mrs. Glover und mischte Zucker und Butter für den Kuchen. »Ich frage mich, wer der Nächste sein wird.«
»Wer muss schon für einen anständigen Tee in ein Hotel?«, sagte Bridget. »Hier ist er genauso gut.«
»Besser«, sagte Mrs. Glover. Und das, obwohl selbstverständlich weder Bridget noch Mrs. Glover ins Berkeley eingeladen waren und Bridget noch nie ein Londoner Hotel betreten hatte oder auch nur ein Hotel irgendwo anders, abgesehen davon, dass sie ins Shelbourne gegangen war, um das Foyer zu bewundern, als sie »vor einer Ewigkeit« von Dún Laoghaire mit der Fähre nach England übergesetzt war. Mrs. Glover ihrerseits erklärte sich als »ziemlich vertraut« mit dem Midland in Manchester, wohin einer ihrer Neffen (von denen sie einen unerschöpflichen Vorrat zu haben schien) sie und ihre Schwester »öfter als einmal« ausgeführt hatte.
Zufälligerweise war auch Maurice an diesem Wochenende zu Hause, obwohl er vergessen hatte (»falls er es jemals gewusst hat«, sagte Pamela), dass es Ursulas Geburtstag war. Er studierte das letzte Jahr Jura am Balliol und war laut Pamela »ein eingebildeterer Schnösel als je zuvor«. Auch seine Eltern schienen nicht sonderlich angetan von ihm. »Er ist doch von mir, oder?«, hatte Ursula Hugh zu Sylvie sagen hören. »Du hattest in Deauville
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