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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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lesen konnten und andere nicht. Izzie hatte es gesehen. Das Böse kommt auf leisen Sohlen. Und das Böse war sie selbst.
    Der Sommer zog ins Land. Pamela bekam einen Platz an der Universität von Leeds, wo sie Chemie studieren wollte, und sagte, dass sie froh darüber sei, weil die Menschen in der Provinz »unkomplizierter« und nicht so snobistisch wären. Sie spielte viel Tennis mit Gertie und gemischte Doppel mit Daniel Cole und seinem Bruder Simon und überließ Ursula oft ihr Fahrrad, so dass sie lange Fahrten mit Millie unternehmen konnte, und beide kreischten, wenn sie die Räder ungebremst einen Hügel hinunterrollen ließen. Manchmal machte Ursula gemächliche Spaziergänge mit Teddy und Jimmy, und Jock rannte im Kreis um sie herum. Weder Teddy noch Jimmy schienen wie Maurice ihr Leben vor ihren Schwestern geheimhalten zu müssen.
    Pamela und Ursula nahmen Teddy und Jimmy zu Ausflügen nach London mit, ins Natural History Museum, ins British Museum, nach Kew, aber sie sagten Izzie nie Bescheid, wenn sie in der Stadt waren. Sie war wieder umgezogen, in ein großes Haus in Holland Park (»eher ein endroit für Künstler«). Eines Tages, als sie die Piccadilly entlanggingen, sahen sie im Schaufenster einer Buchhandlung einen Stapel von Die Abenteuer des Augustus liegen, daneben »ein Foto der Verfasserin – Miss Delphie Fox, aufgenommen von Mr. Cecil Beaton«, auf dem Izzie wie ein Filmstar oder eine Schönheit der feinen Gesellschaft aussah. »O Gott«, sagte Teddy, und Pamela, die loco parentis einnahm, korrigierte ihn nicht.

    Und dann gab es eine Fete auf dem Anwesen von Ettringham Hall. Nach tausend Jahren waren die Daunts gegangen, da Lady Daunt den Mord an der kleinen Angela nie verwunden hatte, und der Besitz gehörte jetzt einem ziemlich geheimnisvollen Mann, einem Mr. Lambert. Manche behaupteten, er sei Belgier, andere, er sei Schotte, aber niemand hatte sich lange genug mit ihm unterhalten, um seine Herkunft wirklich aufzudecken. Gerüchte wollten, dass er sein Vermögen während des Kriegs gemacht hatte, und einhellig herrschte die Meinung, dass er scheu und sehr zurückhaltend war. In der Gemeindehalle wurden am Freitagabend Tanzveranstaltungen abgehalten, und eines Abends tauchte Fred Smith auf, der tägliche Ruß sauber abgeschrubbt, und forderte nacheinander Pamela, Ursula und die drei ältesten Shawcross-Schwestern zum Tanzen auf. Für die Musik sorgte ein Grammophon, nicht eine Kapelle, und es wurden nur altmodische Tänze aufgelegt, kein Charleston oder Black Bottom, und es war angenehm, sicher und mit erstaunlichem Geschick von Fred Smith durch den Raum geschoben zu werden. Ursula dachte, dass es nett wäre, jemanden wie Fred Smith als Beau zu haben, obwohl Sylvie so etwas selbstverständlich nie geduldet hätte. (»Ein Eisenbahner? «)
    Kaum hatte sie das gedacht, als die Schranktür aufsprang und die entsetzliche Szene auf der rückwärtigen Treppe herausfiel.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Fred Smith, »Sie sind ein bisschen grün um die Nase, Miss Todd.« Und Ursula musste es auf die Hitze schieben und darauf bestehen, allein ein bisschen frische Luft zu schnappen. In letzter Zeit war ihr in der Tat immer ein wenig übel. Sylvie machte eine Sommergrippe dafür verantwortlich.
    Maurice hatte mit der von ihm erwarteten Eins abgeschlossen (»Wie?«, fragte sich Pamela) und kam für ein paar Wochen nach Hause, um herumzuhängen, bevor er in einer Kanzlei in Lincoln’s Inn anfing, um sich als Rechtsanwalt, der am Gericht arbeitete, ausbilden zu lassen. Howie war zu »seinen Leuten« in ihr Sommerhaus am Long Island Sund zurückgekehrt. Maurice schien ein bisschen verärgert, dass er nicht eingeladen worden war, mitzukommen.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragte Maurice Ursula eines Nachmittags, während er in einem Liegestuhl lag, den Punch las und sich ein Stück von Mrs. Glovers Orangenkuchen fast zur Gänze in den Mund schob.
    »Wie meinst du das, was ist mit mir los?«
    »Du siehst allmählich aus wie eine Kuh.«
    »Eine Kuh?« Es stimmte, sie füllte ihre Sommerröcke zum Platzen aus, sogar ihre Hände und Füße schienen rund geworden zu sein. »Babyspeck, Liebes«, sagte Sylvie. »Hatte sogar ich. Weniger Kuchen und mehr Tennis, das hilft.«
    »Du siehst schrecklich aus«, sagte Pamela zu ihr. »Was stimmt denn nicht mit dir?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Ursula.
    Und dann dämmerte ihr etwas wahrhaft Schreckliches, etwas so Entsetzliches, so Schändliches, so

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