Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
vorsichtig und habe nicht an deine Tür geklopft.«
»Feige, nicht vorsichtig, feige, Carmine! Geh zu deinen Söhnen zurück! Was fällt dir ein, nach eigenem Gutdünken zurückzukehren? Erfüllst du deine Vaterpflichten, wann es dir paßt?«
»Nein, Figghia. Der Tod entscheidet. Der Tod hat mich befreit, und frei kehre ich zu dir zurück.«
Eine nie gekannte Zärtlichkeit für diesen großen Körper, der sanft auf meinem ruht, drängt meine Hände an seinen Mund: Um ihn zum Schweigen zu bringen, denn seine vom Tod befreite Stimme weckt eine vergessene Hitze in meinem Magen, und die harten Brustwarzen schmerzen von der Berührung mit seiner Jacke.
»Du willst mich, Modesta, meine Hände fühlen es.«
Sein Mund spricht durch meine Finger hindurch. Es ist sinnlos, den Regen, den Wind oder die Sonne zu verleugnen. Man muß die Glut des Sommers und das Eis des Winters hinnehmen. Ohne zu antworten, führe ich, so wie er es früher, als ich noch nichts wußte, bei mir getan hatte, seinen Mund an diese Klumpen aus Lust undSchmerz, zu denen meine Brüste geworden sind. Mein vergeßlicher Körper erwartet ihn, aber als sich meine Schenkel unter ihm öffnen, fährt eine Klinge aus Eis zwischen die heißen Wellen der Lust und zwingt meine Hand gegen meinen Willen dazu, dieses betäubende, Leben schenkende Pulsieren aufzuhalten.
»Was ist, Figghia, wieso unterbrichst du mich? Bist du so von Zorn erfüllt, daß du nicht vergeben kannst?«
Eine nie gekannte Zärtlichkeit für diesen großen Körper, der nackt und enttäuscht schwer auf meinem Bauch und den geschlossenen Schenkeln lastet, drängt mich beinahe dazu, seinen Penis loszulassen. Aber die Hand gehorcht mir nicht und bleibt eiskalt zwischen sein und mein Geschlecht gepreßt liegen.
»Was ist, Modesta? Mit Carmine kannst du reden. Wenn du so sehr gelitten hast, daß du nicht vergeben kannst, versteht Carmine das.«
»Nein. Es ist aus Angst, Carmine.«
»Angst wovor, Picciridda? Das verstehe ich nicht.«
»In diesem alten Baum ist junger Saft, Carmine, das spüren meine Hände.«
»Ach, das ist’s! Recht hast du. Verzeih mir, Figghia. Daran hätte ich denken müssen, aber ich habe dich zu sehr begehrt und nur an mein Vergnügen gedacht.«
Sanft löst er sich von mir und legt sich neben mich.
»Recht hast du. Ich will dein Leben nicht mit einer weiteren Schwangerschaft durcheinanderbringen, aber laß mich nicht so liegen. Ich hab Schmerzen, fühl nur, wie hart mein Leben ist. Ja, genau so, befriedige mich mit der Hand und dem Mund. Aber sobald du merkst, daß ich komme, geh mit dem Mund weg, du sollst dich nicht vor mir ekeln.«
Mit vorsichtiger Hand lenkt er meine Liebkosungenwie einst. Noch nie habe ich ihn so geküßt, und eine neue Zärtlichkeit verjagt das Eis von vorhin. Eine Flamme packt meinen Körper und läßt meine Sinne im Einklang mit seinen schwingen. Und als sein Leben in Wellen zwischen meiner Zunge und meinem Gaumen ansteigt, kann ich nicht davon ablassen und komme zusammen mit ihm während ich diesen unbekannten Samen aufsauge, der aus der Tiefe seines Seins kommt, um den Durst meines von der Hitze verbrannten Mundes zu löschen. Ein bittersüßer Geschmack nach Harz oder geronnener Milch des Mannes, der ebenfalls geboren wurde, um zu stillen.
Sein Penis ist wieder klein geworden und liegt träge auf den harten, krausen Haaren. Es macht mir Spaß, damit zu spielen. Wie damals zeigt er keinen Widerstand, und wie damals – eine Laune der Gefühle – muß ich lachen.
»Was gibt es da zu lachen, du freches Ding?«
»Wie komisch er so klein und kraftlos aussieht! Und außerdem, Carmine, das ist mir vorher gar nicht aufgefallen, wieso sind die Haare hier unten dunkel, ohne eine weiße Strähne?«
»Wenn du genau hinschaust, findest du sicher welche.«
»Nein, Carmine, nichts, kein einziges weißes Haar! Sie sehen so aus wie die von Eriprando.«
»Hat er unsere Farbe? Das freut mich.«
»Aber wie kommt das, Carmine, daß deine Haare ganz weiß sind und die hier unten dunkel?«
»Was soll ich dir sagen? Vielleicht, weil ich alt und jung zugleich bin, was weiß ich.«
»Und unter den Achseln? Laß mich sehen, heb den Arm hoch.«
Langsam bewege ich mich über seinen Körper. Auch unter dem Arm ist alles dunkel, aber auf der Brust hat er ein paar weiße Haare.
»Was für eine behaarte Brust du hast, Carmine! Behaart und kraus, aber die Haare auf den Armen sind glatt und weich.«
Langsam kehre ich auf dem großen Körper wieder zurück.
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