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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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in den Mund kommen! Daß du dich nichtübergibst! Nicht so stark ziehen! Schaut sie euch an! Was ist das mit der Raucherei für eine Laune? Gibst du sie mir jetzt, wo du sie angezündet hast?«
    »Nein, ich behalte sie.«
    »Paß auf, Mädchen, mach mich nicht wütend. Bei Gott, du bist wie mein Sohn! Lazzarolu und cocciu di tacca wie Mattia.«
    »Was heißt das, lazzarolu und cocciu di tacca, Carmine?«
    »Ach, wir haben wohl so eifrig studiert, daß wir die eigene Sprache nicht mehr kennen, was?«
    »Ich habe dich gefragt, was lazzarolu heißt!«
    »Jung, schön und oberflächlich.«
    »Und cocciu di tacca?«
    »Auch jung und mutig, ein Wildfang.«
    »Aha! Ist dein Sohn so?«
    »Ich denke schon. Manchmal schön, aber ohne Schneid, dann wieder feurig und mutig. Wer weiß das schon? Alles kann man verstehen außer dem eigenen Fleisch und Blut. Aber jetzt mach mich nicht wütend, und gib mir die Pfeife zurück, sonst bringe ich dich mit einer Ohrfeige zur Vernunft wie Mattia.«
    »Nein! Ich gebe sie dir nur, wenn du versprichst, mir genau so eine mitzubringen, wenn es im Haus still wird.«
    »Hör zu, Modesta, mancher braucht Jahre, bis er eine Pfeife richtig zu rauchen versteht.«
    »Gut, bring mir eine mit, mit der Zeit werde ich es lernen. Und wieso nennst du mich jetzt Modesta?«
    »Habe ich dich Modesta genannt? Das habe ich gar nicht gemerkt.«
    »Doch, zuerst Figghia und jetzt Modesta.«
    »Stimmt. Es wird wohl einen Grund dafür geben, aber den kenne ich nicht … Gibst du mir nun die Pfeife?«
    »Ich gebe sie dir nur, wenn du versprichst …«
    »Schon gut, ich versprech’s. Morgen besorge ich dir eine gute, es ist sowieso leichter, den Wind umzustimmen als dich. Stur und schön bist du! Gib sie mir!«
    »Ja, aber ich will sie dir in den Mund stecken. Du darfst sie nicht berühren.«
    »Von mir aus.«
    »Nein, nicht die Arme bewegen. Ich stecke sie dir in den Mund und ziehe sie wieder heraus.«
    »Wer bewegt denn hier was? Merkst du nicht, daß ich die Arme um deine Taille gelegt habe? Wie weich deine Hüften sind! Du wiegst nichts, hast aber volle Schenkel und einen runden Bauch. Schaut nur, wie sie mich rauchen läßt! Und wenn das Feuer ausgeht? Es geht leicht aus, Modesta, und muß gehegt und gepflegt werden wie das Feuer der Liebe.«
    »Du hast mich schon wieder Modesta genannt, wieso? Sag es mir! Warum willst du es mir nicht sagen?«
    »Frag nicht, und nimm mir die Pfeife aus dem Mund. Laß dich streicheln … Du bist ganz heiß, meine Hände schwitzen schon.«
    »Sag es mir!«
    »Aber das ist unwichtig! Ein Fehler, den ich mit dir gemacht habe. Und nicht zum ersten Mal.«
    »Was für ein Fehler?«
    »Ich hatte eine Frau, meine Ehefrau und Goldmine. Diese Goldmine hatte mir das Schicksal einfach so geschenkt, ohne daß ich mich darum bemühen mußte, verstehst du? Und das schien mir selbstverständlich. Ich grub und grub nach Gold auf ihren Lippen und in ihrer Umarmung, ohne ihr Anerkennung und Aufmerksamkeit zu schenken. Nachdem sie mir zwei Söhne geboren hatte, wollte ich noch eine Tochter. Das war mein sehnlichsterWunsch, an sie dachte ich dabei nicht. Ich hätte wissen müssen, daß das zuviel verlangt war, so erschöpft und blaß, wie sie war. Aber ich dachte an nichts anderes. Und so starb sie mir im Kindbett. Das haben sie mir geschrieben. Erst da wurde mir klar, was ich verloren hatte.«
    »Sie haben es dir geschrieben? Wo warst du denn?«
    »In Amerika, wegen Onkel Antonios Testament, angefochten von einer Frau, halb Sizilianerin, halb Amerikanerin, die uns nichts von dem geben wollte, was uns zustand. Aber lassen wir das. Das sind Schweinereien, komm, ich will dich küssen.«
    »Du hast um das herumgeredet, was du mir sagen wolltest.«
    »Wieso willst du das nicht verstehen? Als ich zurückkam, war der Sarg schon unter der Erde. Hätte ich ihren Leichnam küssen können, hätte sich mein Körper vielleicht damit abgefunden. Statt dessen sah ich sie lebendig mit ihren schwarzen, erschöpften Augen jahrelang vor mir … und mied die Gesichter fremder Frauen, die ihren Platz einnehmen wollten.«
    »Ja und?«
    »Nichts und. Bei dir hab ich denselben Fehler gemacht. Ein junges Ding erschienst du mir aus der Höhe meiner Jahre und Erfahrung. Und von der Heimkehr meiner Söhne verwirrt – Carmine schämt sich nicht, das zu sagen –, habe ich dich selbstsicher verlassen. Aber bereits nach einer Woche habe ich dich nachts gesucht und tagsüber auf den Feldern gesehen. Und schon fing ich an, mich

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