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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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vergessen. Wer einen Sohn aufzieht, hat mein Vater immer gesagt, verschließt seine Ohren leichter vor den Schmeicheleien der alten Weiber, der Lavageister, die davon singen, wie süß es ist, den Kampf aufzugeben und sich ganz der Ruhe des Sensenmannes zu überlassen.«
    »Ich freue mich für dich, Pietro. Und wie geht es Quecksilber?«
    »Bestens. Sie singt und trällert den lieben langen Tag, mein kleiner Spatz. Und gemeinsam mit Fräulein Inès, die so reizend ist, ihr beim Sticken zu helfen, bereitet sie die Ausstattung vor … aber nun!«
    »Warum schaust du jetzt so finster, Pietro? Gibt es irgendeinen Zweifel, einen Schatten, der dich daran hindert, dich an der frohen Botschaft zu erfreuen, die du mir überbracht hast?«
    »Der zweite Punkt, wie angekündigt, Fürstin. Und es drängt mich und graut mir zugleich, davon zu sprechen, denn ich fürchte, unbedacht gehandelt zu haben, wenn auch nur aus Respekt vor Euer Durchlaucht und Eurem Schmerz.«
    »Wir werden sehen, Pietro, schildere mir den Fall, und wir werden sehen.«
    »Euer Durchlaucht erinnern sich an den Freund des seligen Herrn Carlo, an den Republikaner Bartolomeo Inzerillo, der am Herzen erkrankt war und den der Herr Carlo mit großer Sorgfalt und Fürsorge behandelte?«
    »Was ist mit ihm?«
    »Zwei Jahre nach dem Heimgang des Herrn Carlo ließ er mich rufen, er lag im Sterben. Das schlechte Gewissen erdrückt jeden, Mody, es sei denn, er ist ein Lavateufel.«
    »Ich weiß, was du mir sagen willst, kurz vor seinem Tod hat er Reue gezeigt und gesagt, er habe sich von den Faschisten abgewandt, sie seien alle von Mussolini in die Irre geführt worden …«
    »Das ist aber nicht alles! Er hat mir gebeichtet, daß er unter den fünfen war, die Herrn Carlo überfallen haben, und er nannte mir den Namen des fünften, eines gewissen Serge Greco, Journalist.«
    »Es muß wohl Grecò heißen, Pietro: ein Franzose.«
    »Nein, kein Franzose, es war der Verräter Sergio Greco, der in der Verbannung lebte. Sein Vater war Giovanni Greco aus Piana dei Greci. Nun sage mir, Mody, was hätte ich tun sollen, herkommen und Euer Durchlaucht stören, die Ihr um unsere sich verzehrende Beatrice in Sorge wart? So hielt ich es für besser, aus sicherer Distanz seinen Schritten zu folgen, und als sich mir die Gelegenheit bot, nagelte ich ihn auf der Insel fest, drei Meter unter seiner Erde: Er reiste zuviel!«
    Drei Meter unter meiner Erde liege ich keuchend im Dunkeln und versuche, den Lavamantel der Erinnerung abzustreifen, den Pietro über mich geworfen hat. Ich schaue ihn an und sehe die Ratte der Blutrache aus seinem Blick springen, aus dem Blick eines Menschen, derSklave der Menschengesetze ist, Sklave eines unter den tausendjährigen Gesteinsschichten des Gebirges sedimentierten Seins. Ich will ihn nicht hassen, aber die Abscheu vor diesem Blick treibt mich unter der Lavaglocke hervor, weg von der Insel.
    »Bist du verärgert, Mody, warum siehst du mich nicht an?«
    »Waren drei Tote für einen nicht genug, Pietro?«
    »Ein Leben, das erlischt, kennt keinen Preis, Fürstin, das haben Euer Durchlaucht selbst gesagt und mit großer Überzeugung!«
    »Du bekommst ein Kind, Pietro, wenn du mir ergeben bist, vergiß alles, und erfreue dich an dem Glück, das das Schicksal dir schenkt.«
    »Ich freue mich, doch zuerst muß die Kränkung gerächt werden.«
    »Was denn noch, Pietro?«
    »Ich habe von vertrauenswürdigen Leuten erfahren, daß dieser Pasquale, der sich immer für einen Freund unseres Herrn Carlo ausgab und der nun von den Faschisten zum Präfekten befördert wurde, über den Überfall in jener verfluchten Nacht unterrichtet war. Er muß sterben, Mody, er muß sterben!«
    »Es reicht, Pietro! Alle Freunde Carlos sind zu den Faschisten übergelaufen, außer denen, die getötet oder festgenommen wurden. Was Pasquale betrifft, so sage ich dir dasselbe, was auch Carlo gesagt hätte: Entweder wir erheben uns alle gemeinsam – denn wir sprechen hier von Politik und nicht von einer Familienfehde –, und vielleicht ist es in fünf oder zehn Jahren soweit, daß dies geschieht und alle aus dem Weg geräumt werden, oder es geschieht überhaupt nichts, schon gar keine private Vendetta! Damals waren jene Toten gerechtfertigt, weil es noch Hoffnunggab. Aber Pasquale heute zu ermorden wäre persönliche Rache ohne Sinn und Zweck. Und nicht nur das: Es würde die vielen, vielen Freunde gefährden, die innerlich noch Widerstand leisten. Denn das schlechte Gewissen treibt

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