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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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weiß das alles, Stella. Aber bitte, worum geht es? Warum redest du um den heißen Brei herum?«
    »Hörst du das Klavier?«
    »Was hat das Klavier damit zu tun, Stella?! Jetzt werde ich doch langsam böse! Natürlich höre ich es, ich bin ja nicht taub. Das ist ein Freund von Prando, so gut, wie er spielt, sicher nicht Bambú oder ’Ntoni, die wenig musikalisch sind.«
    »Es ist Mela.«
    »Mela? Sie ist immer noch hier? Aber Pasquale hatte doch gesagt …«
    »Ja, aber es ist schwierig, ohne Geld ein ordentliches Internat zu finden, Mody.«
    »Eben. Wir haben kein Geld mehr, Stella. Alles geht den Bach hinunter, auch deswegen bin ich zurückgekommen … und wer weiß, wann ich wieder loskann! Zieh nicht so ein Gesicht. Glaubst du etwa wie Prando, daß ich geizig bin?«
    »Nein, Mody, nur umsichtig.«
    »Wer hätte das gedacht, was, Stella, daß es eines Tages schon ein Luxus sein würde, jemandem ein Stück Brot anzubieten? Und dieses Klavierspiel hört gar nicht mehr auf!«
    »Eben hast du noch gesagt, daß sie gut spielt.«
    »Allerdings!«
    »Also, was meinst du, sollen wir zu ihr gehen? Sie und Bambú sind dicke Freundinnen geworden, Bambú hat ein Mädchen gefehlt. Immer nur Jungs. Möchtest du sie kennenlernen?«
    »Nein, ich will sie nicht sehen! Sie muß weg, keine Diskussion!«
    »Was tust du, gehst du einfach?«
    »Natürlich gehe ich.«
    »Reist du wieder ab?«
    »Aber nein, ich gehe auf mein Zimmer. Bei all dem Reden vom Geld ist meine Stimmung umgeschlagen. Ich muß Geld auftreiben!«
    »Ich habe es dir ja schon einmal gesagt, Mody, ich besitze das Haus, das Land, ich könnte …«
    »Red keinen Unsinn! Dein und Bambolinas Geld wird nicht angerührt. Bis später, Stella.«
    »Mody!«
    »Was denn noch?«
    »Warte, ich … ich habe noch nicht alles gesagt. Ich muß dir noch etwas erzählen, das geschehen ist, als du weg warst …«
    »Was denn noch, laß hören.«
    »Es ist nämlich eine andere Frau da, eine Dame, die …«
    »Eine andere Frau?«
    »Ja, sie ist vor vier Tagen angekommen. Ich habe sie in Fräulein Elenas Zimmer einquartiert.«
    »O nein, jetzt reicht es! Ich rufe sofort Pasquale an, er soll aufhören, uns Leute zu schicken. Der Teufel soll ihn holen, er geht wirklich zu weit!«
    »Aber das ist es ja gerade. Nicht Herr Pasquale hat sie geschickt, sondern Herr Jose.«
    »Jose?«
    »Das hat zumindest die Dame gesagt. Sie hat gesagt: ›Ich habe einen Brief des Herrn Jose Giudice für die Fürstin.‹«
    Jose! Obwohl ich an jenem lang zurückliegenden Abend in seinem Abschiedslächeln gelesen hatte, daß wir uns nicht wiedersehen würden, hatte ich ihn auf meinen Reisen gesucht, ununterbrochen, war häufig viele Kilometer von meiner Route abgewichen, um jedem Hinweis auf ihn nachzugehen. In Basel, in diesem staubigen Zimmer voller Zeitungen, die Luft gesättigt von Blei und Öl, vom Lärm der Rotationsmaschine:
    »Der Direktor ist abgereist, Signora. Sie kommen aus Italien? Bedaure, aber wir dürfen Ausländern nichts sagen … Bedaure, Signora!«
    In Paris, im Friseursalon des Genossen Reggiani aus Padua:
    »Ach, du bist die berühmte Fürstin? Dann stimmt esalso! Wir wollten es fast nicht glauben. Entschuldige, Genossin, aber wer glaubt schon an sizilianische Prinzessinnen! Da hast du Pech, er ist vor einer Woche abgereist. Wohin? Das fragt sich so leicht, wer weiß schon, wo Jose sich immer herumtreibt!«
    »Willst du den Brief denn gar nicht lesen, Modesta?«
    »Doch, Stella, natürlich.«
    In dem Umschlag nur wenige Zeilen: »Liebe Freundin, ich schicke Dir meine Quasi-Schwester Joyce. Sie hat viel gelitten nach dem Verlust ihrer Eltern, das wird sie Dir selbst erzählen. Kümmere Dich um sie, liebe Freundin. Deines Verständnisses gewiß, verbleibe ich mit aller Zuneigung und Hochachtung Dein brüderlicher Freund, Jose.«
    »Verzeih mir, Mody, du bist in Gedanken. Vielleicht steht es mir nicht zu, aber ist es wirklich die Handschrift des Herrn Jose?«
    »Ja, Stella, ja.«
    »Gewiß, es steht mir nicht …«
    »Was steht dir nicht zu, Stella?«
    »Es ist nur, diese Dame ist merkwürdig, ganz merkwürdig.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Ich weiß nicht, komisch. Wenn man sie anschaut, wird man ganz wirr im Kopf. Ich weiß nicht, wie ich sagen soll … O Gott, da ist sie! Sieh nur, sieh! Jeden Tag, wie ein Uhrwerk. Tagsüber schließt sie sich in ihr Zimmer ein und kommt erst um diese Zeit heraus, um im Dunkeln spazierenzugehen.«
    »Ruf sie her.«
    »O nein, Mody, schau sie an, schau sie

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