Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
mager und zerbrechlich hinter mir im Sattel spürte, verabscheute ich ihn so sehr, daß ich mit Hilfe von Schenkelnund Knien eine Möglichkeit fand, mich nicht an ihn lehnen zu müssen.
»Aber Euer Durchlaucht halten ja das Gleichgewicht! Das hat Don Carmine mir nicht gesagt, da liegt der Fehler. Er hat mir gesagt, daß Ihr noch Angst habt … Das war der Fehler.«
»Nicht das war der Fehler. Los, ich habe es eilig.«
»Was sind das für Geschichten, Padroncina? Ihr sagt, daß Rosario Euch zu Fall gebracht hat? Na so was, Rosario! Ich habe gar nicht gewußt, daß du auch schöne Mädchen zu Fall bringen kannst! Sehr gut … Und Ihr wollt nicht von ihm unterrichtet werden? Hast du das gehört, Rosario? Man merkt, daß du es nicht richtig angepackt hast. Und was sollen wir jetzt tun, Padroncina? Darüber müssen wir sprechen. Ich habe keine Zeit dazu. Was meinst du, Rosario, sollen wir es mit Beppe versuchen …? Nein, sagt Ihr? Ich selbst soll das machen? Na gut. Du gehst zurück an die Arbeit, denn so verlieren wir nur den ganzen Tag, ich werde versuchen, mich mit der jungen Fürstin zu einigen.«
Er öffnete die Tür, um Rosario hinauszulassen, und als er sie wieder geschlossen hatte, lehnte er sich mit dem Rücken dagegen und schaute mich fest an. Er lächelte nicht mehr.
»Also muß unbedingt ich es sein?«
Vor Wut über diesen Satz schaffte ich es nicht, den Mund aufzumachen.
»Antworte mir! Warum zitterst du so? Wir sitzen nicht auf dem Pferd. Antworte!«
Dieses mir so direkt ins Gesicht geschleuderte »Du« ließ mich die Arme heben, und ich schlug ihm mit geballten Fäusten gegen die Brust. Ich wollte ihn im Gesicht treffen, aber dazu war er zu groß.
»Du bist schön und stark, und du begehrst mich. Weißt du, daß du mich begehrst?«
Ich wollte ihn gerade wieder schlagen, aber die Wahrheit dieser Worte durchzuckte mich wie ein Blitz. Es stimmte. Woher sollte ich das wissen, wenn er es mir nicht sagte? Ich, die ich gedacht hatte, daß das Zittern, das mich in seiner Gegenwart befiel, einfach nur Haß sei. Sollte ich weglaufen? Und warum? Noch nie hatte ich diese Raserei verspürt, die sich in meinem Blut als Haß entfesselte. Es war eine furchteinflößende Lust, wie ich sie noch nie empfunden hatte, und um sie noch einmal zu kosten, begann ich erneut, auf ihn einzuschlagen. Er ließ mich gewähren. Die Schultern und Fäuste taten mir von den Schlägen auf diese marmorne Brust so weh, daß ich ermattet in seine unbeweglichen Arme fiel. Das war das Zeichen. Als habe er auf nichts anderes gewartet, faßte er mich bei der Taille, hob mich hoch und wirbelte mich wie einen leichten Gegenstand durch die Luft. Es war, als würde ich in einen Abgrund schauen. Und je größer der Schrecken wurde, desto mehr wuchs auch mein Verlangen hineinzustürzen. Ich fand mich auf der Erde wieder mit ihm über mir. Er hatte mich nicht ausgezogen und sich selbst auch nicht. Ich spürte ihn in mir, er tat mir nicht weh, sondern bewegte sich sanft. Als er aus mir herausging, merkte ich nur daran, wie er den Kopf an meine Schulter legte, daß er es genossen hatte. Aber er sagte nichts, und mein ganzer Körper glühte, ohne daß mich ein Schauer erlöst hätte.
»Entschuldige die Eile, Picciridda, aber ich begehre dich schon so lange, und du hast wirklich überhaupt keine Ahnung. Nach und nach bringe ich dir bei, auch zu kommen. Eure Mütter lehren Euch gar nichts, und dann müssen wir Männer das übernehmen …«
Und er lehrte mich. Jeden Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, erst, das Pferd zu verstehen, und dann, bei ihm in seinem kleinen, schmucklosen Zimmer, das nach Tabak roch:
»Es ist wie beim Reiten. Du mußt die Schenkel um mich legen und dich zusammen mit mir bewegen. Wie Pferd und Reiter. Laß dich gehen, Figghia, mach dich nicht so steif, als wollte ich dich umbringen. Inzwischen kennst du ja das Tier, und ich möchte dir soviel Vergnügen schenken wie du mir. Siehst du, die Liebe ist nicht so, wie viele sagen, die keine richtigen Männer und Frauen sind und sich überall austoben, ohne dabei viel zu empfinden. Mit der Liebe, wenn man sie findet … Mir ist das nur einmal passiert … nein, nicht mit Beatrices Mutter, die so verrückt war wie alle in der Villa, voller Launen, und einen Tag wollte und am nächsten geweint hat … nein, mit einer richtigen Frau, mit der ich jahrelang gelebt habe, bis sie mir gestorben ist. Aber das war es nicht, was ich dir sagen wollte. Wenn man die richtige Frau oder den richtigen
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