Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
mit Tina zusammen geschlafen!
So halfen mir die alte Gewohnheit im Umgang mit Ungeheuern und Pietro, der seinen Herrn Fürsten sehr sauberhielt, langsam dabei, seine Häßlichkeit nicht weiter zu beachten. Im Gegenteil, er weckte eine gewisse Zärtlichkeit in mir, wenn er ganz still dasaß und mich wie ein Hund anschaute. Ihn so glücklich zu sehen, wenn seine unförmigen Pranken meine Hand hielten, weckte in mir zärtliche und zwiespältige Gefühle, die längst vergessene Schauer wieder wachriefen. Aber ich fügte dem, was Carmela mir erzählt hatte, nichts Neues hinzu. Ich zog mich nie nackt vor ihm aus und wählte für die Nacht die hochgeschlossensten Nachthemden, die ich finden konnte. Aber eigentlich waren in dieser Zeit alle Nachthemden hochgeschlossen, das habe ich schon beinahe vergessen.
34
An diesem Montag überraschte mich die Fürstin mit ihrem Scharfsinn, wie Quecksilber es ausgedrückt hätte. Immer lernte ich etwas Neues von ihr. Hört zu:
»Du überanstrengst dich, Mody! Du bist ja nur noch Haut und Knochen. Paß bloß auf, wenn du mir häßlich wirst, lasse ich dich von dem ›Ding‹ verstoßen. Früher warst du eine Augenweide. Du arbeitest zuviel. Du hastdas Haus am Hals, mußt dich um das ›Ding‹ kümmern, und dann studierst du auch noch! Gut, das zeigt, daß du begabt bist. Am Anfang habe ich gedacht, dein Interesse an den Büchern würde nur daher rühren, daß du es zu etwas bringen willst, aber jetzt merke ich, es ist echter Wissensdrang. Trotzdem will ich dich so nicht sehen. Also, entweder schaffst du es, zuzunehmen und wieder ein wenig Farbe zu bekommen, oder ich verbiete dir, weiter den Unterricht zu besuchen. Verstanden? Außerdem hat der Arzt vielleicht recht: Du mußt mehr an die frische Luft kommen. Ab morgen nimmst du Reitunterricht. Wenn du Beatrice eingeholt hast, die nicht schlecht ist, könnt ihr zusammen ein bißchen ausreiten. Du mußt das auch für Beatrice tun, die mir unter dem Vorwand, daß du nicht reiten kannst, fett und träge wird. Diese Blonden! Kaum haben sie die Jugend hinter sich gelassen, schwellen sie an und ab wie Ballons. Sie will ich dünner und dich dicker. Carmine, hast du verstanden? Wir müssen Mody Reitunterricht geben. Und jetzt reicht es mit dem Geplapper, an die Arbeit!«
Auch ich verstand nicht, warum ich mich weiterhin so in die Bücher verbiß. Und jetzt, als die Drohung ausgesprochen war, ließ mich der Gedanke, nicht mehr lernen zu dürfen, gleich an diesem Abend zwei Teller Nudeln und jede Menge Püree hinunterschlingen; Püree macht dick, hatte ich gehört. Und morgens Milch, Butter und viel Marmelade. Aber bei der Vorstellung, Orlando wiederzusehen, zitterte ich vor Angst. Hatte ich eigentlich Angst vor Orlando oder vor Carmine? Seit jenem Zusammentreffen hatte ich nicht mehr an ihn gedacht und ihm nicht mehr ins Gesicht gesehen, nicht einmal, wenn er im Büro der Alten vor mir saß … Da kommt er auch schon lachend die große Allee entlang. Dieses selbstsichereLachen war unerträglich. Außerhalb der Mauern war er der Padrone. Das sah man daran, wie der andere Mann ihm zuhörte, der einen Schritt hinter ihm Orlando und ein weiteres Pferd an den Zügeln führte.
»Guten Tag, Padroncina. Ich freue mich wirklich, daß Ihr Euch dazu entschlossen habt, es mit dem Pferd zu versuchen. Ich überlasse Euch Rosario, unseren besten Reitlehrer, der Euch alles Nötige beibringen wird. Rosario, denk daran, die junge Fürstin hat ein wenig Angst. Ich verlasse mich auf dich. Ich empfehle mich, Padroncina.«
Rosario stellte sich sofort mit verschränkten Fingern bereit, um mir auf das Pferd zu helfen, aber man merkte, daß ihm das Mühe bereitete. Dieser dienernde Rotzbengel machte mich plötzlich so wütend, daß ich auf der anderen Seite des Tiers wieder hinunterfiel.
»Entschuldigt, Euer Durchlaucht, entschuldigt, ich habe nicht damit gerechnet, daß Ihr schon allein Schwung nehmen könnt. Glücklicherweise habt Ihr Euch nicht weh getan! Ihr habt Euch doch nicht weh getan, oder?«
»Mir geht es gut, und jammer nicht so rum. Wo ist Don Carmine hingegangen?«
»Also eigentlich … Er wird wohl nach Hause gegangen sein …«
»Und wo ist das?«
»Zu Fuß ist es weit. Zu Pferd gute zehn Minuten.«
»Gut, dann bring mich auf dem Pferd dorthin.«
»Aber ich habe die Anweisung …«
»Hier gebe ich die Anweisungen! Hilf mir aufzusitzen, und paß auf, daß ich nicht noch einmal hinunterfalle!«
Er entschuldigte sich immer weiter. Wie ich ihn
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