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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Mann gefunden hat, dann muß man sich aufeinander einspielen. Der Körper ist ein kompliziertes Instrument, komplizierter als eine Gitarre, und je mehr du ihn kennenlernst und auf den anderen abstimmst, um so vollkommener wird der Klang und um so größer das Vergnügen. Aber du mußt dir und mir helfen. Und du darfst dich nicht schämen. So, jetzt mache ich ganz langsam, und du folgst mir. Wenn du merkst, daß die Hitze in dir hochsteigt, mußt du es mir sagen, damit ich auf dich warten kann und wir gemeinsam die Besinnung verlieren. Warum willst du es mir bloß nicht sagen, Picciridda, wenn die Hitze in dir hochsteigt? Wenn du es mir nicht mit Worten sagen willst, dann gib mir ein Zeichen, drück mich oder beiß mich ins Ohr, wie du willst. Du bist heißund zitterst, aber ich weiß, daß du nur wenig Vergnügen empfindest. Ja, genau so, ruhig, ruhig, du brauchst dich nicht zu schämen.«
    Woher sollte ich das wissen, wenn er es mir nicht sagte? Ganz langsam lernte ich, ihm auf dieser hohen Welle der Erregung zu folgen. Und als ich zum ersten Mal wirklich kam, war die Lust so groß, daß ich meinte vom Blitz getroffen worden zu sein.
    »Sehr gut, jetzt bist du wirklich eine Frau, und ich habe mit dir geschrien. Ich wette, daß du mich nicht einmal gehört hast, so sehr hast du es genossen.«
    Tagelang glaubte ich, meine Lektion nicht richtig gelernt zu haben. Wenn ich im Sattel rutschte, hatte ich Angst zu stürzen … Und wenn er mich stumm um die Taille faßte und mich aufs Bett wirbelte und ich spürte, wie meine Beine steif wurden, hatte ich immer Angst, daß dieser Schauer nicht kommen würde, um mich zu befriedigen. Aber Carmine war geschickt und geduldig. Mit den Händen führte er mich und nahm mir die Furcht, die mich erstarren ließ, und immer stürzte ich gemeinsam mit ihm nach dem Lauf wie geblendet in diesen bodenlosen Abgrund.
    »Los, Figghia, Galopp! Gestern hast du einen Schreck bekommen, aber wenn du heute der Angst keine Zeit läßt, die Erinnerung an das Vergnügen auszulöschen, wirst du keine mehr haben. Die Angst ist, wie böse Gedanken, ein zähes Unkraut, das man sofort aus seinem Körper ausreißen muß.«
    Er lachte und überholte mich schnell auf seinem Orlando, um mich zum Galopp ins Tal zu bewegen. Dieses laute Lachen, gefolgt vom Anblick seiner harten Locken, jagte mir einen süßen Schrecken ein, der mich dazu anspornte, ihn einzuholen, um diese Locken zu packen undfest daran zu ziehen. Ich haßte ihn und wollte ihm weh tun, aber sobald ich von ihm wegging, ergriff mich wieder diese geheimnisvolle Kälte, und ich mußte zurückkehren.
    »Natürlich tust du mir weh, denkst du, ich bin aus Eisen?«
    »Doch, du bist aus Eisen, und ich kann dich nicht mehr sehen.«
    »Gut, Figghia, dann sieh mich eben nicht. Man liebt sich ja sowieso mit geschlossenen Augen, wer weiß, warum. Du bist eine richtige Frau, leidenschaftlich und stark. Wenn man bedenkt, daß ich geglaubt habe, du magst nur die Liebkosungen von Frauen! Sieh mal einer an, wie sich auch so ein alter Mann wie ich noch täuschen kann!«
    Woher wußte er das? Vor Überraschung zog ich so stark an den Zügeln, daß mich Morella beinahe abgeworfen hätte.
    »Was ist los, erschrickst du wegen so einer Kleinigkeit? Denkst du, daß du die erste bist, die am Anfang durch Frauenhände geht? Da ist nichts Schlimmes dabei, Figghia. Keine Sorge, du bist und bleibst eine Frau, auch wenn du eines Tages mit einem Schnurrbart aufwachen solltest.«

35
    Was ich von Carmine lernte, versuchte ich an Beatrice weiterzugeben. Meine Zärtlichkeiten wurden behutsamer und intensiver. Natürlich war ich kein Mann, aber ich drang mit der Hand tiefer in sie ein, und sie kam heftiger. Außerdem bereitete ich sie, wie Carmine sagte, darauf vor, den richtigen Mann zu treffen. Das war hier sicher schwierig, aber irgendwann würde der Krieg aufhören, und in Catania …
    »Sieht man von unserem Palazzo in Catania aus das Meer?«
    »Nicht nur das Meer, Modesta: Geschäfte, den Markt, schau nur, wie groß und schön Catania ist …«
    Auf dem Stadtplan wies mir die kleine Hand fiebernd die Straßen und Plätze. Sie zeigte mir Fotos der Villa, die umgeben war von Geschäften voller wundersamer Sachen.
    »Und das hier ist die Villa all’Ognina, inmitten eines Orangenhains. So sieht ein Orangenhain aus. Hier gibt es nur den Wald, der so traurig ist! Ein Orangenhain ist etwas ganz anderes, weil man weiß, selbst wenn man es nicht sieht, daß das Meer in der Nähe ist.

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