Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
dir meine Padroncina vorstellen? Er war es, der Euch im Korn entdeckt und mich vom Weg abgebracht hat: Also, wenn Ihr wollt, begleite ich Euch. Keine Angst, nur bis zur Mauer. Carmine ist verschwiegen. Und wenn man esmit ihm nicht verdirbt, sieht und hört er nichts. Ich bringe Euch dorthin, wo Ihr herausgekommen seid … Sitzt auf, ich folge Euch zu Fuß.«
»Aber ich …«
»Wollt Ihr sagen, daß Ihr ohne Sattel nicht reiten könnt?«
»Ich kann überhaupt nicht reiten.«
»Also müßt Ihr Euch, auch wenn es Euch nicht gefällt, vor mich aufs Pferd setzen … Genau, stellt den Fuß hierher. Und jetzt mit Schwung. Sehr gut! Ihr seid wirklich gelenkig … Entschuldigt, wenn ich hinter Euch bleiben muß.«
Diese Stimme machte mir entsetzliche Angst. Als ich ihn hinter mir spürte, leicht gebeugt und mit den Zügeln in der Hand, war mir so, als sei ich von allen Seiten mit einer Kette umgeben. Er hatte mich in die Falle gelockt, deshalb lächelte er.
»Wie kommt es, daß Ihr so zittert, Padroncina? Habt Ihr etwa Angst vor dem Pferd? Das geht allen beim ersten Mal so. Aber daran müßt Ihr Euch gewöhnen, denn wenn Ihr morgen Fürstin seid, müßt Ihr Euren Besitz nicht nur auf dem Papier, sondern auch direkt in Augenschein nehmen.«
»Ja, ja, aber … Es macht mir ein bißchen Angst. Wie heißt es?«
»Orlando, Padroncina. Ich hoffe, daß Euch nur das Tier Angst macht und nicht auch der Besitzer des Tieres.«
Seine Stimme und der Wind ließen mich nach links und rechts schwanken. So aus der Höhe schwindelte mir von dieser tanzenden goldenen Weite derart, daß ich mich unwillkürlich an seinen Arm klammerte.
»Nein, Padroncina, die Arme müßt Ihr mir frei lassen. Orlando ist sehr eifersüchtig. Und wenn Ihr Euch zusehr bemerkbar macht, ist er imstande, bockig zu werden und uns den Hals zu brechen. Lehnt Euch mit dem Rücken an mich. Natürlich, mit den Röcken ist das schwierig. Genau, so … Spürt Ihr, wie ich es mache? Die Schenkel und die Knie leicht an die Flanke gelegt. Sehr gut! Genau so. Ich wette, daß Ihr innerhalb eines Monats genauso gerade und sogar noch besser im Sattel sitzt wie die junge Fürstin. Sobald Ihr wollt, bringe ich es Euch bei.«
Die Flanken des Pferdes dampften. Dagegen verströmten die Arme und der Oberkörper dieses Mannes eine trockene Hitze, so als stünde man vor einem Kamin. Aus Angst, daß mich erneut dieser seltsame Schwindel befallen könnte, hielt ich die Augen geschlossen. Ich mußte irgend etwas sagen, aber mein Mund war wie zugeklebt. Wenn er wenigstens weitergeredet hätte … Aber jetzt schwieg er. In dieser Stille wurde mir bei jedem leichten Zug an den Zügeln immer schwindliger, und voller Scham spürte ich den Schweiß auf meinem Rücken, der auch sein Hemd durchnäßte. Schon bald konnte ich die beiden Stoffe nicht mehr voneinander unterscheiden. Er sagte nichts mehr, bis ich merkte, daß das Pferd stillstand. Er stieg ab und reichte mir den Arm.
»So, Padroncina, wir sind da. Wenn ich mir erlauben darf, Ihr müßt vor dem Tier keine solche Angst haben. Ich bin ganz in Eurem Schweiß gebadet. Das Tier ist brav, wenn man richtig mit ihm umgeht. Jetzt steigt ab.«
Bevor ich die Augen öffnen konnte, hatte er mich schon um die Taille gefaßt und durch die Luft gewirbelt, was mich vollends verwirrte, und beschämt hörte ich mich sagen:
»Entschuldigt, daß ich so geschwitzt habe.«
»Ihr braucht Euch wegen des Schweißes nicht zu entschuldigen:Der duftet! Bei Gott, selbst wenn meine Mutter mir das gesagt hätte, hätte ich nie geglaubt, daß Schweiß nach Orangenblüten duften kann! Küß die Hand, Padroncina.«
Lachend stieg er auf sein Pferd, ohne sich noch einmal nach mir umzudrehen. Mir zitterten die Beine so stark, daß ich nur mit Mühe warten konnte, bis er sich entfernt hatte, ehe ich mich auf die Erde fallen ließ. Selbst im Sitzen zitterte ich noch. Und als langsam die schweißige Hitze des Pferdes nachließ, kroch mir eine furchtbare Kälte in alle Glieder. Obwohl die Sonne noch hoch stand … Dort galoppierte dieser weiße Kopf durch die Felder … Verfluchter Alter! Außerhalb der Villa lachte er. Hier war er der Padrone. Beatrice hatte recht, ihren Vater zu hassen.
Die Kälte wollte mich einfach nicht loslassen und mit der Kälte der Haß gegen diese kräftigen Arme und das selbstsichere Lachen.
Voller Wut riß ich mir die Kleider vom Leib und wusch mich, als ob das Wasser die Erinnerung an die Kraft dieses Alten auslöschen könnte. Ich
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