Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
Vom Netzwerk:
geschlafen und jetzt roch er den sauren Schweiß des Fiebers. Daran, dass sie hier ihr Lager aufgeschlagen hatten, konnte er sich gar nicht erinnern. Tanger hatte ihn getragen, das wusste er noch. Als wäre Jonas ein Säugling, hatte der Monokel ihn sich mit einem Tuch auf den breiten Rücken gebunden. Schrecklich kalt war Jonas gewesen, dann heiß, dann musste er, von Tangers weit ausholenden Schritten gewiegt, eingeschlafen sein.
    Jonas stellte es sich vor – zwei kleine Gestalten, Ole und Fiet, und ein Riese mit einem Kranken auf dem Rücken, wie sie den langen Weg aus der menschenleeren Flüsterstadt nahmen. Durch das Tor – ein anderes Tor als das, durch das sie gekommen waren – und dann hügelaufwärts, erst durch felsiges Gelände, dann über weite, struppige Grasflächen, bis es dunkel wurde und sich Jonas’ Erinnerung endgültig verlor.
    »Du hast Fieber«, hatte Fiet noch auf dem weiten Platz vor dem Theater gesagt, eine Hand auf Jonas’ Stirn. »Du glühst.«
    Wie in Trance hatte Jonas die tote Allee hinabgestarrt. Nichts und niemand hatte sich mehr in der Flüsterstadt gerührt. Leopolds alter Palast lag in traurigen Trümmern.
    Ole hatte Jonas’ Hand genommen. »Es ist jetzt Krieg«, hatte er bloß gesagt. »Wir müssen in die Ferne. Zu Suleman.« In Jonas’ Kopf hallte das Wort nach. Die Ferne. Die Ferne.
    Dann war alles sehr schnell gegangen. Lubbe hatte noch lange vor seinem großen, leeren Theater gestanden und gewunken. »Ich komme nicht mit«, hatte er gesagt, bevor sie aufgebrochen waren. »Ich gehöre hier hin. Geht nur! Ja, ja.«
    Schau in die Ferne . Jonas fiel Claras Grabstein ein. Die Krähen zeterten immer noch. Die Weide am Grab mit ihren herabhängenden Zweigen. Peregrin Aber, wie er sich dem Herrenhaus zuwandte, und Ruben – stumm, das hatte Jonas damals geglaubt.
    Noch auf dem Weg aus der Stadt hatte er Fiet, Ole und Tanger von Irmingast erzählt. Dass Irmingast Pfarrer war, dass er wie Alma durch den Schrank gekommen sein musste. Aber Fiet hatte ihn mit einer verblüffend einfachen Frage zum Schweigen gebracht.
    »Und was ändert das?«
    Jonas schlug die Decke zur Seite und stand auf. Er hatte weiche Knie, aber das Fieber war gesunken. Sein Kopf war einigermaßen klar.
    Und wenn es doch etwas änderte?, dachte er. Einmal mehr hatte er nichts von den Sonneberger Figuren erzählt. Was, wenn sie den Unterschied machten? Aber sie waren doch Spielzeug! Sollte er Fiet Finger mit Spielzeug kommen?
    »Besser?« Ole lag noch genauso da wie eben, nur seine Augen waren jetzt offen. Sie waren so blank, dass sie glänzten.
    Jonas schaute auf ihn hinab. »Ich glaube schon«, sagte er.
    »Das Fieber kommt wieder. Verlass dich drauf. Besser, du hüllst dich in die Decke.« Fiet war gleich auf den Beinen, hellwach und spürbar angespannt.
    Jonas bückte sich und legte sich die Decke locker um die Schultern.
    Tanger kam zurück. Der bauchige Lederschlauch, den er an einem Gurt über die Brust trug, war dunkel vor Feuchtigkeit. Der Monokel hatte Wasser geholt. »Ich habe ein Auge gesehen«, rief er schon von weitem. »Drüben an der Brücke.«
    Sie liefen gleich hin, Jonas mit einigem Abstand. Er war nicht so schnell wie die anderen.
    Nicht weit von ihrem Lagerplatz wand sich ein kleiner Fluss durch die locker mit Bäumen bestandene Wiese, über das Wasser bog sich eine schöne, alte Brücke aus Stein.
    »Halt!« Noch ein Stück von der Brücke entfernt wies Tanger mit dem Finger auf das steinerne Geländer. Da saß das Auge, gelb wie das einer Katze, nur größer. Selbst aus dieser Entfernung konnte Jonas erkennen, wie die schwarze Pupille wuchs und wieder schrumpfte. Ein Raubtier, dachte er.
    »Hat es dich gesehen?«, fragte Fiet.
    Tanger erhob sich und zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht.«
    »Wir gehen trotzdem durch den Fluss«, sagte Fiet leise. »Drüben. Stromaufwärts.«
    Plötzlich war Jonas schwindlig. Seine Knie knickten ein.
    Ole fasste ihn gleich unter die Arme. »Du musst ihn wieder tragen, Tanger«, sagte er sachlich.
    Schrecklich unnütz kam Jonas sich vor. Wie ein Frosch klebte er an Tangers Rücken, festgeschnürt wie Feuerholz. Manchmal schmiegte er die Wange an den Rücken des Monokels und döste.
    Sie folgten dem Fluss eine ganze Weile, bis sie an eine Furt gelangten. Das Ufer war hier sandig und flach, der Fluss breiter, das Wasser beinahe so glatt wie das eines Sees. Auf der anderen Seite grenzte eine fette Wiese ans Ufer, dahinter erhob sich ein Hügelkamm. Fiet ging

Weitere Kostenlose Bücher