Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Mund trocken und hart wie Stein. Seine Augen brannten, seine Handflächen waren schweißnass, die Finger steif. In der Hütte roch es nach Harz. Von der Lichtung kam ein tieforangefarbener Schein. Mühsam robbte Jonas zum Eingang der Hütte, eine Tür gab es nicht.
Mitten auf der Lichtung, unter einem schwarzen, von funkelnden Sternen übersäten Himmel, prasselte ein großes Feuer. Darum herum hockten die Rebellen, ein Kreis schwarzer Schatten im leckenden Licht. Suleman Mond stand als Einziger aufrecht, den Feuerschein auf seinen Zügen. Er sprach – was er sagte, konnte Jonas aber nicht verstehen. Ob auch Ole da saß? Neben den anderen?
Nach und nach erkannte Jonas sie alle. Walrider mit dem leuchtenden Haar und neben ihm der riesenhafte Fängge. Dort drüben saß im Schneidersitz Fiet, zwei Plätze weiter Tanger mit seinem kahlen Kopf, und da, mitten zwischen den bärtigen, ledernen Gestalten Ole. Wie weit weg er jetzt war! Hatte er überhaupt noch nach Jonas gesehen? Jonas fühlte sich abgeschoben und verlassen. Er war krank und niemand, so kam es ihm vor, interessierte sich jetzt noch für ihn. Dort drüben am Feuer wurde jetzt entschieden, wie es weitergehen sollte, und ihn hatten sie in dieser Hütte abgelegt. Was würde geschehen, wenn die Rebellen in den Kampf ziehen sollten, so wie Ole es wollte? Würden sie Jonas dann einfach hier zurücklassen? Mutterseelenallein in diesem Wald?
»Scht«, machte da jemand und Jonas spürte einen sanften Druck auf seiner Schulter. Es war Krempel, Jonas hatte ihn nicht mal kommen gehört. Staunend sah Jonas den Wicht an, die großen Augen und die schmale, gewundene Nase dazwischen. Krempel musterte ihn schweigend.
»Ich … ich habe Ihr Bild«, sagte Jonas stockend. Er wollte mit Krempel reden! Er wollte mit irgendjemandem reden! Nur nicht allein sein jetzt. Ungeschickt suchte er in der Innentasche seiner Joppe nach dem Steckbrief. Als er ihn herauszog, riss er ein, er war ja in der Flüsterstadt nass geworden. Jonas reichte ihn Krempel dennoch. »Hier.«
Der Wicht hockte sich neben ihn und faltete das Blatt auseinander. Viel konnte er in der Dunkelheit bestimmt nicht erkennen, aber es glitt doch ein Lächeln über sein bärtiges Gesicht. Wie klein seine Hände waren!
»Und?«, sagte Krempel leise. »Findest du, dass ich gut getroffen bin?«
Jonas wusste nicht, wie antworten. »Ich habe den Steckbrief in Kanaria gefunden«, sagte er. »An einem Baum.« Die Worte blieben ihm beinahe am Gaumen kleben. Seine Stimme war belegt.
Krempel hielt das Blatt dem Feuerschein entgegen. » Im Namen der unfehlbaren Höchsten Kaiserlichen Hoheit «, las er spöttisch. »Na ja.« Er zauste sich den Bart. »Vielleicht sollte ich das Bild bald dahin zurückbringen, wo es herkommt. Was meinst du?«
»Nach Kanaria?«, fragte Jonas und erschrak. War es schon beschlossen, dass die Rebellen losziehen würden? Was würde dann aus ihm werden?
»Wer weiß? Es hatte seinen Platz, da, an diesem Baum. Und Ordnung muss doch sein, oder?« Krempel erhob sich. Er war nicht größer als ein kleines Kind, mit ebenso dünnen Armen und Beinen. »Jetzt schlaf, Jonas Nichts«, flüsterte er und zupfte die Decke zurecht. »Wir reden morgen. Wenn das Fieber gesunken ist.«
Das 37. Kapitel,
in welchem ein Verdacht keimt und eine Entscheidung fällt
Geht’s dir besser?« Ole machte einen langen Hals und streckte den kupferroten Schopf in die Hütte. Blass lag Jonas da, vom Fieber der vergangenen Nacht wie ausgelaugt. Seine Lippen schmeckten salzig. Er stemmte sich auf die Ellbogen.
»Jetzt sag schon. Besser? Oder nicht?« Wie ein Eichhörnchen war Ole auf dem Sprung. Er kam nicht mal herein.
Jonas setzte sich auf. »Was habt ihr beschlossen? Gestern?«, krächzte er. Vielleicht konnte er Ole für einen Augenblick festhalten. Vielleicht würde Ole sich sogar zu ihm setzen – und erzählen.
Doch Oles Antwort fiel knapp aus. »Noch gar nichts. Suleman kann sich nicht entscheiden.« Ole probierte ein Grinsen. Es misslang, und doch war es der Versuch, Jonas etwas vorzuspielen. Ging es nach Ole, dann sollte Jonas gar nichts erfahren.
»Brauchst du was? Hast du vielleicht Hunger?«, fragte Ole ungeduldig. Bestimmt wollte er weiter und nichts von dem verpassen, was gerade im Lager vor sich ging. Bestimmt fand er es lästig, nach Jonas zu sehen.
Hunger? Jonas war sich nicht sicher, aber er nickte, um Ole zu erlösen. Sollte er doch gehen!
»Dann bringt dir jemand was.« Ole lächelte höflich und hob
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