Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

jammerte Peregrin Aber und musste sich dabei nicht einmal verstellen.
    »Schlag Er zu! Los!«
    Peregrin Aber hielt den Atem an. Die Peitsche sauste pfeifend auf ihn herab – der Riemen klatschte gleich neben seinem Ohr auf das Parkett.
    »Ooooooooo!«, rief Peregrin Aber, vermutlich einen Augenblick zu spät.
    »Na?«, kreischte Alma. »Schmeckt Ihm das?«
    »Ooooooooo!«, machte Peregrin Aber wieder und jubilierte innerlich. Grimbert hatte Wort gehalten! »Was für Schmeeeerzen!«
    »Wo hat Er die Figuren?«, geiferte Alma.
    »Ich …« Was um Himmels willen sollte er jetzt sagen? »Baroness«, fing er noch einmal von vorne an.
    »Baroness? Dummkopf!« Almas Stimme vibrierte. »Los! Zuschlagen!«
    Und wieder sauste die Peitsche herab. Peregrin Aber spürte ihren Luftzug. Mehr allerdings nicht.
    »Auauauauauau!«, jammerte er.
    »Ha!«, krähte Alma. »Und? Wird Er jetzt reden?«
    »Bei meiner Ehre! Ich weiß wirklich nicht …«
    »Peitsche!«
    Diesmal jedoch wurde Peregrin Abers tremolierender Schmerzenslaut – »Aiaiaiaiaiaiaiai!« – unterbrochen. Die Saaltür sprang auf, Peregrin Aber hörte es wohl, und jemand polterte ungeschickt herein.
    »Kaiserin!«
    Peregrin Aber riskierte einen Blick, das Gesicht vorsichtshalber wie unter Schmerzen verzogen. Völlig verdattert stand ein livrierter Diener in der Tür.
    »Was stört Er, Idiot?«, schimpfte Alma.
    Der Diener versank förmlich zwischen seinen Schultern.
    »RAUS!«, kreischte Alma. »RAUS!«
    Der Trabant machte einen Schritt zurück. »General?«, hauchte er.
    »WAS?«, donnerte Grimbert.
    »Wir werden angegriffen, General«, sagte der Diener schnell.
    »WAS?«, donnerte Grimbert wieder. Diesmal allerdings klang er nicht ärgerlich, sondern heillos verunsichert.
    »Jünger Faramunds setzen über den See. Die ersten sind schon im Park.« Der Diener schlug die Hände vor das Gesicht. »Es sind so viele!«
    Peregrin Aber hörte, wie die Peitsche auf das Parkett fiel. Und im nächsten Augenblick sah er Grimbert zur Tür hinausstürzen. Die dem General versprochene Erklärung, dachte der Advokat, musste warten. Dann linste er zur Peitsche hinüber. Würde Alma jetzt selbst Hand anlegen? Doch die gewalttätige Kaiserin von Kanaria rauschte schon in Richtung Fenster.
    Was sollte das eigentlich heißen – angegriffen ? Und wer waren die Jünger Faramunds ?
    Während Peregrin Aber mühselig auf die Füße kam, fiel ihm dieser Hirte ein, den der General erwähnt hatte. Einigermaßen ratlos stand er im Saal, bückte sich dann nach seinem Zylinder und pfropfte ihn sich auf den Kopf. Sollte er die Gelegenheit zur Flucht ergreifen? Die Tür stand offen, immerhin. Allerdings hatte der Diener dort seinen Posten nicht verlassen. Peregrin Aber tastete nach seinem wehen Rücken – der Sturz auf das Parkett hatte keineswegs zu seiner Genesung beigetragen. Dann humpelte er auf das Fenster zu.
    »Angegriffen«, murmelte er. »Du lieber Himmel!«
    Alma stand dort wie erstarrt. Sie schien ihn völlig vergessen zu haben und rührte sich auch nicht, als Peregrin Aber sich, mit gehörigem Sicherheitsabstand, neben sie stellte.
    Er sah in den Park hinaus. Zwischen den großen, mit geschmacklosen Figuren überladenen Brunnen wimmelte es von bösartig anmutenden dunklen Zwergen. Die Gesichter von Kapuzen verborgen, rückten sie unaufhaltsam zum Schloss vor. Und von dort drüben, vom Waldrand, kamen immer mehr! Weit entfernt, am äußersten Rand des Parks, unweit der Kaserne, meinte Peregrin Aber den General zu erkennen. Grimbert ruderte wüst mit den Armen und trieb eine Gruppe gelb gewandeter Soldaten vor sich her, die sich mit flatternden Rockschößen in wilder Flucht vom Schloss entfernten und dabei Hüte und Säbel verloren wie vom Sturm geschüttelte Bäume ihr Laub. Nach und nach verschwanden sie aus Peregrin Abers Blickfeld, der General, wütend die Fäuste schüttelnd, als Letzter. Kanarias Soldaten, so schien es, waren endgültig desertiert.
    Peregrin Aber verharrte regungslos am Fenster, bis diese dunklen, kapuzenbewehrten Zwerge die Treppe zur Schlossterrasse erreicht hatten. Dort stellten sie sich reihenweise auf. Nur in der Mitte ließen sie eine Gasse.
    Sehr leise hörte Peregrin Aber Alma zetern. Mal zischte sie wie eine Schlange, mal heulte sie wie ein Hund, alles aber fast tonlos.
    Er spähte wieder zum Waldrand hinüber. Dort war Bewegung. Peregrin Aber kniff die Augen zusammen. Da ritt ein Mann auf einem Esel, geführt von einem dicken Mönch. Was sollte das nun