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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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ja!«, hörte er, als er wieder hochkam. »Hätte mir den Hals brechen können dabei! Rauf auf die Mauer! Runter von der Mauer! Und diesen Rotzlöffeln von Jüngern sagen, dass sie mal bloß ein paar flüchtige Gedanken sind! Gespinste!«
    Flüchtige Gedanken. Gespinste . Jonas schwamm drei, vier Züge auf die Stimme zu. Immer noch war er umgeben von Wolken aus Dunst. Er war unsichtbar. »Gespinste sind sie?«, rief er. »So wie du?«
    »So wie ich. Hab nicht behauptet, dass ich was Besseres wär.«
    Jonas lauschte seinem Plätschern.
    »Jetzt komm schon!«, kam es ungeduldig durch den Dunst. »Die Einzelheiten später! Du weißt, wer ich bin! Tu also nicht so.«
    »Ich tue nicht so«, rief Jonas zurück. »Du bist der Wieflinger. Aber den Wieflinger gibt es nicht.«
    Vom Ufer kam ein brüllendes Gelächter. »So?«, prustete es. »Dafür bin ich aber verdammt lebendig, Jonas Nichts! Hier ist mein Bauch! Hier sind meine Arme! Zweihundert Pfund Wieflinger! Ein ganz schön großer Kerl!« Er lachte zufrieden. »Und jetzt zwirbele ich meinen Schnurrbart, Jonas Nichts! Haare wie Zwirn, weißt du noch? Hör also mit dieser dämlichen Besserwisserei auf und komm aus dem Wasser raus! Du musst ja schon ganz aufgeweicht sein!«
    »Ich bleibe hier«, rief Jonas. »Du bist ein Kiesel. Und ich bin verrückt.« Er lachte jetzt auch. Das war ungewohnt. Er hatte ewig nicht gelacht.
    »Du bist ein unverbesserlicher Dummkopf, Jonas Nichts. Du bist sogar ein ausgemachter Idiot! Und wenn du nicht bald anfängst, an dich zu glauben, Junge, dann werden wir hier alle noch verrecken! Du ersäufst da in deinem Riesenzuber, ich steh mir hier die Beine in den Bauch, und in Kanaria gehen die Lichter aus! Zur Hölle! Ist es das, worauf du es anlegst?«
    »Nein.« Jonas war das Lachen vergangen. »Du hast Bror gesehen? Wirklich?«
    »Verdammt, ja! Wie oft soll ich das noch sagen! Ich hab Bror gesehen! Bror, den du dir ausgedacht hast! Ist das Beweis genug?«
    Beweis wofür?, dachte Jonas. Er schwamm noch ein wenig näher zum Ufer. Der Wieflinger konnte nur noch ein paar Meter entfernt sein. Der Dunst war nach wie vor undurchdringlich, aber das Wasser wurde merklich flacher.
    »Meine Sachen sind noch am anderen Ufer«, sagte Jonas.
    »Quatsch! Die hab ich schon geholt. Jetzt mach!«
    Plötzlich trat er aus der Nebelwand heraus – der Hut, der Bart, der massige Körper. Der Wieflinger war gekommen.
    Jonas hatte Boden unter den Füßen, zähen Uferschlamm zwischen den Zehen. Er schwamm nicht mehr, er stand. Das warme Wasser lief an ihm herab.
    Der Wieflinger reichte ihm die Pranke. »Na endlich«, brummte er.
    Während er sich anzog, musste Jonas den Räuber immer wieder ansehen. Die buschigen, überlangen Brauen über den kleinen, schwarzen Augen, die eisenharten Bartstoppeln auf den Wangen, der Bauch, der über den breiten Gürtel schwappte. Sollte Jonas sich das alles ausgedacht haben? Jede Kleinigkeit? Von dem Schmierfleck auf der Lederweste bis zu den schäbigen Flicken auf der ausgebeulten Hose?
    Jonas knöpfte das Hemd zu, das Tabbi ihm geschenkt hatte. Es war lange nicht mehr weiß. Dann schlüpfte er in seine Jacke. Der See dampfte, aber die Sonne kam immer mehr durch.
    »Wer bist du, Wieflinger?«, fragte Jonas leise.
    »Hm.« Der Wieflinger lupfte den Filzhut und wühlte in seinem ungewaschenen, zottigen Haar. »Verdammt schwere Frage. Aber wenn ich’s bedenke, würde ich sagen, ich bin du.« Er setzte den Hut wieder auf, Deckel auf Topf.
    Lächelnd schüttelte Jonas den Kopf. »Das kann nicht sein«, sagte er. »Du bist ganz anders als ich.«
    »Schon.« Der Wieflinger wirkte plötzlich verlegen. »Und trotzdem bin ich so was wie ein Teil von dir, würde ich sagen. Ich muss dir deshalb ja nicht ähnlich sein, oder? Jedenfalls weiß ich Dinge, die ich eigentlich nicht wissen kann. Nehme an, ich weiß sie, weil du sie weißt. Bin dem Marquis de Lunette nie begegnet, kenne ihn aber doch, irgendwie. Zum Beispiel.«
    »Mein flüchtiger Gedanke.« Jonas lächelte immer noch. »Und das war alles wahr, was ich mir ausgedacht habe? Hast du wirklich in dem Tannenzapfenwald gelebt? Auf dem Hof? War das alles wahr?«
    »Na ja«, brummte der Wieflinger. »Wahr. Nicht wahr.« Er machte eine abfällige Geste. »Ich bin nicht sicher, ob es darum geht. Ich habe das alles erlebt. So viel kann ich sagen.«
    »Warum bist du nicht bei mir geblieben im Kloster?«, fragte Jonas. »Du hast mich gesucht in der Flüsterstadt. Fiet Finger hat mir erzählt, dass

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