Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
Vom Netzwerk:
füllen.
    Jonas strich sich mit den nassen Händen durch das Gesicht und begann dann, seine Joppe aufzuknöpfen. Er zog Schuhe, Socken, Hemd und Hose aus und watete langsam ins Wasser hinein. Als er eintauchte, umfing ihn eine wohlige Wärme. Genüsslich wusch er sich den Schmutz der langen Reise und den Fieberschweiß von der Haut, tauchte unter und ließ Luftblasen aufsteigen. Dann schwamm er mit ruhigen, stillen Zügen in den See hinaus, legte sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Vom Sonnenlicht schwefelgelb gefärbte Schwaden verhüllten alles rings um ihn herum. Vielleicht stand die Welt gerade kopf und Jonas badete im Himmel, eingeschlossen in eine Wolke.
    »Jonas? Jonas Nichts! Wo steckst du, zum Teufel!«
    Die Stimme war rau und laut und ganz anders als alles, was Jonas umgab.
    »Jetzt zeig dich schon, zur Hölle!«
    Jonas blieb, wo er war. Er paddelte lautlos, das Wasser war so herrlich weich. Die Stimme kam vom gegenüberliegenden Ufer. War sie, worauf er heimlich gewartet hatte? Denn gewartet hatte er doch – auch wenn er keine Worte für dieses Warten gefunden hatte.
    »Verdammt noch eins! Glaubst du wirklich, dass ich mir Blasen laufe für dich, damit du dich dann vor mir versteckst? Was glaubst du eigentlich, wer du bist? He! Antworte mir wenigstens!«
    Jonas schwieg. Die Schwaden machten ihn ganz und gar unsichtbar.
    »ANTWORTE MIR!«, brüllte es.
    Jonas starrte in den milchweißen Dampf. Er legte den Kopf schief, selbstvergessen mit den Armen rudernd. Wer war das?
    »Du bist da im Wasser, stimmt’s?« Die Stimme klang jetzt etwas versöhnlicher.
    Kannte Jonas sie nicht? Ja. Irgendwoher kannte er diese Stimme. Hatte er deshalb keine Angst?
    »Hör mal zu, du kleiner Verbrecher. Ich kann auch schwimmen, hörst du?«
    Jonas lächelte. Er wusste nicht, warum.
    »He! Ich kann wirklich schwimmen! Erinnerst du dich noch an die Sache mit dem Hühnerstall-Gefängnis? Lange her, ich weiß. Teufel, was bin ich da geschwommen! Um mein Leben gepaddelt bin ich in dieser Dreckspfütze. Und wenn du mir nicht dieses Floß gebaut hättest … aus diesen Zweigen und dem Bindfaden, weißt du noch? … Na ja, ohne wär ich wohl ersoffen!«
    Während die Stimme sprach, umspielte das warme Wasser Jonas’ Körper. Dumme Frage! Natürlich konnte er sich erinnern! Den Bindfaden hatte er sich damals von Elsa geborgt.
    »Und später …« Die Stimme klang weicher als zu Beginn, so, als hätte es sich der, der da sprach, gemütlich gemacht, vielleicht ein Pfeifchen angezündet und die Beine hochgelegt, um in Erinnerungen zu schwelgen. »Später …« Die Stimme brach ab, und als sie wieder auftauchte, klang sie so knurrig wie eh und je. »Zum Teufel, Jonas Nichts! Dieses Boot, das du mir in Wunderlich aus deiner Mütze gebaut hast, hat mir verdammt noch mal nicht getaugt! Keine Ratte hätte sich da drauf gewagt! Abgesoffen bin ich damit! Wie ’ne Katze in ’nem Sack voll Steine untergegangen! Und wenn mich dieser Fischer – Bror heißt er, Bror – nicht aus dem Wasser gezogen hätte …« Die Stimme unterdrückte einen barbarischen Fluch.
    Bror? Jonas lag jetzt ganz ruhig auf dem Wasser. Er dachte nach, wie er noch nie nachgedacht hatte. Oder war denken das falsche Wort? Vielleicht war er verrückt geworden. Das war immerhin möglich. Wenn er nicht verrückt geworden war allerdings, dann … Jonas tauchte unter, einmal ganz tief in das warme Wasser, sodass sich seine Haare wie Algen in der sanften Strömung wiegten. Prustend tauchte er wieder auf. Der Mann, dem diese Stimme gehörte, konnte ihn bestimmt hören. Aber das machte nichts. Jonas wusste ja, wer dieser Mann war.
    Das Problem war nur, dass es diesen Mann nicht gab.
    »He!«, rief Jonas über das Wasser zum Ufer hinüber. »Du hast Bror gesehen?« Das warme Wasser lief ihm über die Wangen.
    Die Antwort kam ein wenig verzögert. »Redest du also doch mit mir, was? Gut so.« Pause. »Ja, verdammt! Ich habe Bror gesehen. Hab ihm sogar einen Brief mitgegeben für den Advokaten. Sie waren alle in diesem Dorf. Bror und Tilla und Kolman und Arne. Und der Doktor und Tabbi.«
    »Und du!«, rief Jonas. »Du warst auch in der Nähe!«
    »Ja, zur Hölle! Aber ich musste weiter. Einer musste ja auf dich aufpassen!«
    »Aufpassen?«
    »Jetzt tu nicht so!«, kam es ärgerlich zurück. »Was glaubst du denn, wer dich im Kloster rausgepaukt hat? Hä?«
    »Du etwa? Warst du das?« Jonas tauchte noch einmal unter, ein Fisch im Wasser.
    »Ich war das, verdammt noch mal

Weitere Kostenlose Bücher