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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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kleine Spinne saß darin. Vorsichtig streckte Jonas ihr den Finger hin und sie kletterte darauf. Eilig krabbelte sie über seine Handfläche und verschwand in seinem Ärmel.
    »Ich bin so weit«, sagte Jonas. »Lass uns gehen.« Er drehte sich um.
    Im Türrahmen stand der Räuber und schnaufte. Spinnweben hingen von seinem Hut. »Widerlich, diese Treppe«, brummte der Wieflinger.

Das 43. Kapitel
Tabbi riecht nach dicker Suppe
    Sie kämpften sich die Spindeltreppe hinab. Der Wieflinger knurrend voraus, dann Jonas und schließlich der hinkende Arnon Blau. Er war vor Ergriffenheit ganz stumm. Sie wanderten durch die Zimmerfluchten im Erdgeschoss. In den leeren Türrahmen spannten sich schon neue Netze. Als sie endlich ins Freie traten, schlug sich Arnon Blau, von der Sonne geblendet, die Hände vor das Gesicht. Im hellen Licht des Tages wirkte er noch bleicher. Seine Schläfen waren von einem Netz blauer Adern durchzogen.
    Der Wieflinger nahm die drei bemoosten Stufen in den Hof mit einem einzigen, ungeduldigen Schritt. Er schob sich den Filzhut in den Nacken, las sich die letzten Spinnweben aus den unwahrscheinlich langen Haaren seines Schnurrbarts und stemmte die Hände in die Hüften.
    »Und jetzt, Jonas Nichts?«
    Jonas blinzelte in den strahlend blauen Himmel hinauf. Die Sonne war auf dem Weg zu ihrem höchsten Punkt.
    Arnon Blau nahm langsam die Hände vom Gesicht. Sein langes, strähniges Haar war verfilzt und staubig. Wie ein von der Welt vergessener Wilder sah er aus. »Nichts?«, fragte er überrascht. »Jonas Nichts ?« Plötzlich schmunzelte er, streckte die bleiche Hand aus und strubbelte durch Jonas’ Haar. »Erklär es mir später«, sagte er dann. Er streckte sich und schien gleich ein paar Zentimeter größer zu werden. Dann holte er tief Luft und schaute zum großen, leeren Tor hinüber. »Jetzt bring uns dahin, wo wir gebraucht werden, Jonas Nichts «, sagte er und lächelte wieder.
    »Was?«, fragte Jonas leise.
    »Bring uns, wohin du willst.« Arnon Blau sah ihn fast herausfordernd an. »Schließ die Augen. Mach von deiner Macht Gebrauch. Hinter dem Tor, da ist das, was du willst. Das, was du dir vorstellst .«
    Jonas war verunsichert. Hinter dem Tor war doch eine feuchte Wiese, der dampfende See, der Buchenwald.
    »Jonas?«
    Er grübelte immer noch. »Was ist mit dem See?«, fragte er schließlich.
    »Welcher See?« Arnon Blau war ehrlich überrascht.
    Jonas lächelte still in sich hinein. Wie es aussah, würde niemand anders je in den Wolken aus Dunst dort draußen hinter dem Tor baden. Aber es gab ja noch den anderen See, den großen. Tabbi war dort, Tilla und Lunette. Jonas hatte sie gesehen, als er tropfend vor dem Wiefinger stand. Er musste ins Trabantendorf. Und dann zur Insel hinüber. Er musste Ole finden. Fiet. Krempel. Peregrin Aber. – Und Ruben.
    Er durfte keine Zeit mehr verlieren.
    »Also?«, fragte Arnon Blau und hinkte die Treppe hinunter, Jonas hinterher. »Was erwartet uns hinter dem Tor, Meister?«
    Verwundert drehte sich Jonas zu ihm um. Meister?
    Arnon Blau strahlte ihn an, ein zugewuchertes Gespenst mit entzündeten Augen. »Du bist der Herr des Spiels«, sagte er fröhlich. »Nicht vergessen.«
    »Wie lange wollt ihr hier denn noch rumstehen, zum Teufel?« Dem Wieflinger war der Geduldsfaden gerissen.
    Als Jonas durchs Tor ging, schloss er die Augen. Hinter dem Tor da ist das, was du willst , hatte Arnon Blau gesagt. Doch eine Schrecksekunde lang stieg ihm der Geruch warmen Wassers und feuchter Schwaden in die Nase. Was, wenn sie am Ende bloß wieder auf der Wiese stünden, den Spinnenpalast im Rücken und meilenweit von Kanaria entfernt? Was, wenn seine Vorstellungskraft versagte? Warum sagten Arnon Blau und der Wieflinger nur nichts? Starrten sie schon stumm vor Enttäuschung auf den wehenden Palast mit seinen Fahnen aus Spinnweben? War hinter dem Tor nicht, was er wollte?
    Doch die Sekunde verging. Jetzt wehte Jonas eine angenehme Brise um die Nase. Der Wind roch schwach nach Rauch. Weit entfernt miaute ein Pfau. Und Jonas konnte Stimmen hören, viele von unten aufsteigende Stimmen, ein betriebsames Raunen.
    Jonas machte die Augen auf. Kanaria! Sie waren angekommen! Er sah den himmelblauen Spiegel des Wassers und die gezackte Uferlinie der anderen Seeseite. Und er sah Rauch von der Insel aufsteigen – schwere, bleigraue Wolken, wie die Nachhut des Sturms, der in die Bäume des Schlossparks gefahren sein musste, sie entwurzelt und zerbrochen hatte und wie Reisig

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