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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Faramund, so, wie er damals war, waren Claras Vorstellungskraft entsprungen, nicht Almas. So, wie sie waren, waren sie für Alma erdacht, aber von Clara. Alma hatte nie vollkommene Macht über sie. Leopold blieb immer eine Märchengestalt. Grimbert hielt, wenn es drauf ankam, stets an seinen Prinzipien fest. Und Lunette … Alma hat Lunette nie wirklich besessen. Er war der Siebte, die übrige Figur, weißt du noch? Der Marquis de Lunette gehört in erster Linie sich selbst.«
    Jonas dachte an den Hermes. Daran, wie der Küchentrabant, kurz bevor der Prozess gegen Ruben begann, in Lunettes Räume gekommen war und seine Kaiserin verraten hatte, weil sein Gefühl das so wollte. Konnte nicht auch Lunette Trabanten Gesichter geben? Sie zum Leben erwecken? Ein wenig zumindest?
    »Ich kam bald darauf nach Wunderlich«, sagte Arnon Blau. »Clara hatte mich als Sekretär angestellt, was Alma gar nicht recht war. Ich war neugierig, Jonas, und ich fand den Schrank. Zunächst habe ich mich nicht weit hineingewagt. Ich war ja wie vor den Kopf geschlagen, als ich die Schranktüren zum ersten Mal öffnete und, ohne es zu verstehen, sah, was aus dem Spiel geworden war. Ich habe Clara dann zur Rede gestellt und sie dazu gebracht, mir alles zu erzählen. Sie war damals schon eine alte Frau, und ich glaube, sie sorgte sich um ihre Welt. Die Welt ihres Spiels, meine ich. Also hat sie mich und Ruben ins Vertrauen gezogen. Sie hat uns von ihren Sorgen erzählt und uns angefleht, das Spiel nicht Alma zu überlassen, sollte ihr einmal etwas zustoßen. Wir haben es beide versprochen, und ich begann die abertausend Geschichten, die Clara aufgeschrieben hatte, zu sortieren und zu katalogisieren – wie es ein Sekretär eben tut. Clara wollte es so, es war ein Dienst, den sie dem Spiel und den ich ihr erwies. Aber meine Arbeit war vergeblich. Noch in der Nacht, als Clara krank wurde, hat sie Ruben gebeten, die Hefte zu verbrennen. Ich nehme an, er hat es getan.«
    Erstes Heft, CF . Jonas sah die wenigen Buchstaben wieder vor sich. Es war ja Arnon Blau gewesen, der das auf das Vorsatzblatt geschrieben hatte. Damals, in Almas Zimmer, hatte Jonas zum ersten Mal von ihm erfahren. Und ja, Ruben hatte die Hefte verbrannt, denn Jonas hatte nur noch dieses eine gefunden. Irgendwie musste es Alma an sich gebracht haben, dachte er. Vielleicht hatte auch sie eine Seite, die sich gern an die glücklichen Tage mit Clara erinnerte.
    Für einen Moment bereute Jonas, das letzte Heft verbrannt zu haben. Aber dann erinnerte er sich daran, wie gut es sich angefühlt hatte, als es in Lubbes Ofen zu Asche zerfiel. Es war eine Last weniger gewesen.
    »Es war nicht leicht für Ruben und mich«, sagte Arnon Blau. »Dann und wann, wenn Alma schlief, haben wir uns in den Schrank geschlichen, aber …« Seine Stimme flatterte plötzlich. »… wir blieben Zuschauer, Fremde. Wir besaßen keine Figuren, wir konnten dem Spiel nichts hinzufügen. Doch selbst wenn wir es gekonnt hätten … Wir … wir konnten nicht spielen!« Er hielt inne. Er schien seine Kräfte zu sammeln, um die Geschichte zu Ende zu bringen. »Ruben und ich hätten, wenn überhaupt, nicht mehr als Almas Trabanten zustande gebracht und keiner von uns beiden wollte das.« Arnon Blau seufzte tief. »Ich hätte so gern gespielt«, sagte er. »So gerne. Letztlich bin ich deshalb hier. Weil ich nicht spielen konnte und es nicht einsehen wollte. Ich habe so lange vor leeren Wänden gesessen, bis es nur noch leere Wände gab.«
    Jonas machte die Augen auf und schaute in den farblosen, spinnwebenverhangenen Saal. Die Wände waren ja gar nicht leer – nicht so leer jedenfalls, wie Arnon Blau glaubte. Es waren die Spinnen, die hier erzählten. Die winzigen Spinnen sprachen mit hauchdünnen Fäden.
    »Clara hingegen«, fuhr Arnon Blau fort, »vermochte schier alles. Sie hat Ruben eine Stimme geschenkt, Jonas, stell dir das vor! Weil Clara es sich vorstellen konnte, konnte Ruben im Spiel sprechen! Er ging durch den Schrank und ich konnte ihn hören. Beim ersten Mal ist mir schier das Herz stehen geblieben!« Arnon Blau schüttelte den Kopf, als könne er es immer noch nicht glauben.
    Jonas sah zu den Spinnennetzen an der Decke hinauf. Er hatte plötzlich Tränen in den Augen. Vielleicht war es bloß die Rührung über dieses große Geschenk. Vielleicht aber weinte er jetzt auch um Clara, vielleicht um das große Spiel, das so eine böse Wendung genommen hatte.
    »Erzähl die Geschichte zu Ende«, sagte er. Es

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