Die unwillige Braut (German Edition)
durch den Torbogen gingen, und begann so übergangslos seinen nächsten Satz, dass sie ihre Frage aus den Augen verloren hatte. "Mylady", sagte er, "erinnert Ihr Euch an unser Gespräch im Garten von Catterick? Was den Ruf angeht?"
"Ja. Ihr sagtet, ich sollte meinen Ruf zu meinem Vorteil nutzen."
"Genau. Und jetzt, denke ich, ist für Euch der Zeitpunkt gekommen, um Euch durchzusetzen. Nun, ich sage nicht, dass die fragliche Dame in der letzten Nacht eine Liaison mit Jude hatte, aber ich sage, dass ich zufällig hörte, wie sie heute Morgen die nächtliche Begegnung mit einem sehr starken und erfindungsreichen Mann beschrieb. Und da unser Bischof hinter Schloss und Riegel sitzt und die Lady sich in unserer Gesellschaft befand, bis ich die beiden verließ, kann ich beim besten Willen nicht erkennen, wer sonst …"
"Ja. Danke. Ich denke, Ihr habt genug berichtet, Master Flambard." Mehr vermochte sie nicht zu sagen, denn ganz plötzlich hatte sie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Atmen würde helfen, aber es schmerzte, und sie spürte einen Druck tief unten in ihrer Kehle. Als sie ihre Stimme wieder fand, stellte sie fest, dass sie viel zu hoch klang. "Nach York und London", sie räusperte sich, "wird sie nicht mit uns kommen. Nun, zumindest glaube ich das nicht. Ich hatte meine Zweifel, und ich bin noch immer nicht ganz sicher."
Flambard starrte sie mit echtem Interesse an. "Tatsächlich?" fragte er. "Darf ich fragen, weswegen Ihr noch im Zweifel seid?"
"Ob mein Vorgehen … meine …"
"Macht?"
"Ja. Ich dachte, dass ein starkes Abführmittel wirksam sein könnte."
Weil sie ein paar streitende Krähen auf dem Turm betrachtete, entging ihr der Ausdruck tiefer Bewunderung, der auf dem Gesicht ihres Begleiters erschien und ebenso plötzlich wieder verschwand. "Nun", sagte er ungewohnt zögernd, "nun, ja, das würde es wohl, aber da es nicht immer nötig ist, seinen Gegner umzubringen, würde ich davon abraten. Außerdem würde es Euch nicht wirklich helfen, oder? Wer bereitet den Trank zu? Hilda?"
"Bruder Alaric."
"Um Gottes willen! Weiß er davon?"
"Er glaubt, er sei für mich bestimmt."
Diskret räusperte er sich. "Vielleicht wäre etwas, das sofort wirkt, noch besser. Ihr habt keine Angst zu sagen, was Ihr denkt. Sie aufzusuchen und ihr ruhig, aber in aller Deutlichkeit die Meinung zu sagen, würde vermutlich besser aufgenommen werden als ein Trank, der mit Verspätung wirkt. Außerdem wollt Ihr doch nicht, dass sie anderen erzählt, wozu sie in der Nacht aufsteht, oder?" Absichtlich ließ er Judes Namen aus dem Rat heraus.
Rhoese stand auf, willens und in der Lage, gleich loszugehen, solange der Schmerz und der Zorn noch frisch waren. "Ich werde zuerst Jude zur Rede stellen."
Ehe sie den Satz beendet hatte, war Flambard schon aufgesprungen. "Nein!" erklärte er mit Nachdruck. "Nein, sie muss Euer Ziel sein, Mylady. Stellt sie jetzt zur Rede, ehe sie Zeit hat, noch einmal davon zu erzählen. Ihr müsst ihr nicht sagen, woher Ihr davon wisst. Denkt daran, wer die Macht hat, muss seine Informationsquellen nicht preisgeben, er lässt die Leute raten. Auf diese Weise befinden sich die anderen im Nachteil."
"Ja. Danke, Master Flambard. Ich weiß nicht, was ich ohne Eure Hilfe getan hätte. Sie kommt immer zum richtigen Zeitpunkt."
"Mylady, meine Sorge gilt Eurem Glück", sagte er und verneigte sich, als sie an ihm vorüber zum Palast ging. Einen Moment lang stand er da und betrachtete die Küchenkatze, die herangekommen war und die Bank untersuchte, auf der sie beide eben noch gesessen hatten. "Manipulation", flüsterte er ihr zu, "nur darum geht es, nicht wahr, meine Freundin? Manipulation." Er zog den Kragen aus Biberfell um seinen Hals fest und wandte seine Gedanken wieder dem Evangeliar zu, von dem er sicher wusste, dass es nicht das war, wonach es aussah. Aber das, so dachte er, waren die Dinge äußerst selten.
Die drei verbliebenen Mönche, ein Normanne und zwei Engländer, lehnten sich endlich zurück. Ihre Gesichter drückten, wenn sie schon nicht lächelten, zumindest große Zufriedenheit aus. Zehn Minuten lang hatte sie der englische Text zwischen den lateinischen Zeilen beschäftigt, und jetzt endlich hatten sie ihn verstanden.
"Sehen wir, was wir haben", sagte Bruder Gerard und nahm den Fetzen hoch, auf den er eben eilig etwas gekritzelt hatte. Er las vor: "Von Aaeldgyth, Äbtissin von Barking, Grüße in Christus an unsere Schwester Christina. Ihr sollt wissen, dass es in diesen
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