Die unwillige Braut (German Edition)
sah Hilda an, die große Augen machte.
"Ein starkes Abführmittel?"
"Ein sehr starkes, ja."
"Oh Liebes."
"Genau. Oh Liebes. Es wird sie zumindest reiseunfähig machen, meinst du nicht?"
Hilda kaute an ihrer Unterlippe, aber das konnte sie nicht daran hindern, ihr Gesicht zu einer Grimasse zu verziehen – und dann zu einem Grinsen, breit wie eine Sichel. "Oh Liebes", sagte sie wieder, "das ist ein bisschen böse. Nun, wenn wir über ein wirklich starkes Gebräu reden, dann gibt es da die kleine Iris, die im Kings Pond in York wächst.
"Nie gehört."
"Doch, das hast du. Wir nannten sie immer Schwertlilie, nach den Blättern, die wie kleine Schwerter aussehen. Für ein gutes Gebräu gibt es nichts Besseres."
"Diese Blumen werden lange schon verblüht sein."
"Wir brauchen nicht die Blüten, wir brauchen die Wurzeln."
"Gut. Hast du schon welche gesehen?"
"Nein, aber wir können hingehen und nachschauen."
Das taten sie. Und sie fanden auch welche, aber ehe sie damit die Küche des Bischofs erreichen konnten, trafen sie auf Bruder Alaric, der einen Blick auf die Pflanzen und deren schlammige Wurzeln warf und dann fragte: "Wofür ist das?"
"Verstopfung", sagte Rhoese. "Ich brauche ein Mittel."
Er streckte die Arme aus, um ihr das Bündel abzunehmen. "Ich bereite es für Euch zu. Ihr braucht auch etwas altes Bier. Kommt, vertraut mir. Frauen sind in der Küche nicht zugelassen."
Rhoese gab ihm die Pflanzen ohne ein angemessenes Zeichen von Dankbarkeit. "Ich brauche es bald", sagte sie, "und es muss stark sein. Sehr stark."
"Ihr werdet es bald bekommen. Und stark. Nebenbei bemerkt, ich fürchte, es wird Euch auch nicht möglich sein, das Buch persönlich ins Scriptorium zu bringen. Denn dort sind Frauen ebenso wenig zugelassen."
"Wo sind Frauen denn überhaupt noch zugelassen?"
Er lächelte. "Nun, ich vermute, überall dort, wo Lady Anneys hingeht. Aber macht Euch deswegen keine Sorgen. Ich werde dort sein und Euch sagen, was entschieden wurde."
"Ich glaube, das kann ich schon selbst vorhersagen. Ich werde es nie wieder sehen, oder?"
"Ich weiß es nicht, aber ich werde ihnen Eure Sicht der Dinge schildern."
"Vielen Dank, Bruder. Wir werden beim Essen unter uns sein. Wollt Ihr uns Gesellschaft leisten?"
"Gewiss, Mylady. Mit Vergnügen."
Und mit diesem sehr wenig zufrieden stellenden Stand der Dinge musste sie sich begnügen. Nur tat sie das nicht. Jedenfalls nicht, bis Jude in der Nacht lautlos in ihre Kammer kam, ohne sie zu wecken, zwischen die kühlen Laken glitt und sie in seine Arme zog, so dass er in ihren Träumen erschien und sie nicht aufwachen musste.
Sie drehte sich um, hieß ihn willkommen, als wäre er die andere Hälfte ihres Selbst, die sie nach Jahren der Trennung wieder gefunden hatte, drängte sich an seinen warmen Leib, hatte in der Dunkelheit alle Bedenken vergessen, empfand nur noch Freude, während sie ihn küsste. Falls er wegen der späten Stunde damit nicht mehr gerechnet hatte, so ließ er sich nichts davon anmerken, sondern schlüpfte in ihren Traum, machte gerade dort weiter, wo sie angekommen war, fügte sich mit ihr mühelos zusammen und versuchte nicht sie aufzuwecken.
Sie öffnete sich ihm ganz, schlang die Beine um ihn, als er in sie eindrang, klammerte sich an ihn, wie sie es in dem Holunderhain getan hatte, mit derselben Heftigkeit, aber ohne Worte. Als er ihr Verlangen gestillt hatte, schlief sie in seinen Armen wieder ein, nackt und süß, die Lippen noch an seinen Hals gepresst. Und erst als ihr Fuß die warme Stelle berührte, an der er gelegen hatte, entsann sie sich der Kümmernisse des vorangegangenen Tages und daran, dass sie ihm irgendwie davon erzählen musste.
Aber da graute bereits der Morgen, und sein Tag hatte schon begonnen.
10. Kapitel
Kurz nach der Frühmesse ging Jude, das Buch unter dem Arm, in Begleitung von Ranulf Flambard und Bruder Alaric, durch den verlassenen Garten zum Scriptorium der Kathedrale hinüber. Hartnäckiger Oktobernebel verhüllte die Türme und blassgelben Bäume, und die scharfe Luft biss in ihre Haut, hüllte ihre Worte in weiße Wolken. Wäre Bruder Alaric nicht bei ihnen gewesen, hätte Jude Flambard von dem erzählt, was er in der vergangenen Nacht gesehen hatte, als er unterwegs zu Rhoese gewesen war. Da er das nicht konnte, versuchte er, sich die Szene noch einmal in Erinnerung zu rufen.
Im dämmerigen Licht des Durchgangs, der von der Halle fortführte, hatte er vor sich eine Gestalt gesehen, die sich unbeobachtet
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