Die unwillige Braut (German Edition)
glaubte. Während er sich selbst im tiefen Schatten hielt, hatte er gesehen, wie die Gestalt an Flambards Tür klopfte, wie die Tür gerade so weit geöffnet wurde, dass sie hindurchschlüpfen konnte, und dann wieder geschlossen. Die Lady hatte nicht gezögert, seinen Rat zu befolgen. Und der königliche Beichtvater war nicht der Mann, der eine solche Gelegenheit, die ihm so wenig Mühe bereitete, ausschlagen würde. Allerdings musste er sie früh hinausgeschickt haben, um das Buch zu sehen, auf das er so neugierig gewesen war. Nun, dachte Jude, wenn sie das hier hinter sich hatten, konnten sie sich endlich wieder den Tagesgeschäften zuwenden und ihre Abreise vorbereiten.
Im Scriptorium saßen bereits viele Schreiber an ihren Tischen, hockten wie Elstern auf hohen Stühlen, die Köpfe über die Pergamente geneigt. Das Kratzen und Eintauchen von Federn war zu hören, Kerzenlicht flackerte zuckend über die Vorhänge, die die einzelnen Abteile voneinander trennten. Nicht einer hob den Kopf, als Bruder Gerard die drei Männer hereinführte, kein Wort wurde gesprochen, das die Stille hätte stören können, bis sie die Bibliothek erreichten, wo die Tür hinter ihnen geschlossen wurde.
"Prior Turgot wird sich gleich zu uns gesellen", sagte Gerard. "Er bereitet noch etwas vor. Ah, ist das das Buch, Jude? Komm, leg es dort auf den Tisch." Seine Miene erinnerte an die einer Mutter, die sich um ihr krankes Kind sorgt.
"Hier also arbeitet Ihr", sagte Bruder Alaric und sah sich um, betrachtete die Bücherstapel auf den Regalen, alle in Leder gebunden und schwer. Auf dem Tisch lagen noch mehr Bücher, die kostbaren Einbände geschützt von Leinentüchern. Eines von ihnen wurde von einem schmalen Lederstreifen offen gehalten, an dessen Ende ein dreieckiges Gewicht hing. Der Raum war kühl, keinesfalls gemütlich, es roch seltsam verstaubt. Die Männer ließen sich auf Bänken nieder, die keinesfalls besonders bequem waren.
Flambard setzte sich neben Gerard und zog den einzigen Kerzenleuchter näher an das Buch, während es behutsam ausgewickelt wurde. Jude sah, wie er vor Aufregung erschauerte und sich begierig vorbeugte. "Woher kam es noch? Sag es mir noch einmal, Jude."
Jude und Bruder Alaric erzählten alles, was sie wussten, aber jetzt mussten die Fragen in Bezug auf den Wasserschaden und die Verbindung zu Barking Abbey geklärt werden. Am Tisch reichten sie es von Hand zu Hand weiter und wirkten wie Väter mit einem neugeborenen Baby. Als Bruder Alaric ihn dazu aufforderte, schlug Gerard die letzte Seite auf, wo die winzige Schrift in roter Tinte zwischen den Zeilen auf bestimmte Zusammenhänge hinzuweisen schien.
"Ihr habt es nicht gelesen, Bruder?" fragte Gerard.
"Es ist zu klein für meine Augen. Sie sind nicht mehr das, was sie einmal waren, fürchte ich."
Gerard betrachtete die Seite genauer. "Ja, es ist wirklich klein. Kleiner als üblich, selbst für eine Anmerkung. Vielleicht dachte der Schreiber, dass jeder andere so gute Augen habe wie er – oder wie sie. Jetzt werden wir es nur noch übersetzen müssen. Gebt mir Zeit, ich werde es schaffen."
Die Tür ging auf, und zusammen mit einem Schwall kalter Luft kam Prior Turgot herein. "Ah", sagte er ohne jede Vorbemerkung, "welch eine kleine Schönheit!" Sofort ließ er seinen Blick auf dem Buch ruhen wie ein Raubvogel, der eine fette Beute erspäht hat. "So ein ähnliches hat Königin Margaret in ihrem Besitz." Die Männer erhoben sich, doch er winkte ab, voller Ungeduld, dem Gespräch beizuwohnen.
"Wir besprechen gerade seine Herkunft, Pater", sagte Gerard. "Die Abtei in Barking scheint der wahrscheinlichste Ort, wie die Lady sagte. Seht Euch das an." Er reichte dem Prior das Buch und deutete auf die rote Schrift.
Der Prior betrachtete sie und nickte. "Sicher ist Euch zu Ohren gekommen", sagte er ruhig, "dass die neue Äbtissin keine Engländerin ist, oder?" Er ließ das Buch sinken, hob den Kopf und sah Jude an. "Sie stammt aus dem Nonnenkloster St. Leger de Prieux, nahe Lisieux. Sie ist eine Normannin."
Genau das hatte Jude befürchtet. Nach zweiundzwanzig Jahren war es unwahrscheinlich, dass noch dieselbe Äbtissin im Amt war und auf die Rückgabe ihres Buches hoffte. Wie würde Rhoese wohl darüber denken?
Was immer es war, das so direkt zu Rhoeses wachsender Streitbarkeit beigetragen hatte, sie nahm den neuen Tag in Angriff, als hätte sie einen Energietrank zu sich genommen und nicht den schwachen Hagebuttenwein, den Els aus der Küche
Weitere Kostenlose Bücher