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Die Unzertrennlichen

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Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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abweisend zu mir hochblickend. Ich hatte noch nie ein so schönes, elegantes Mädchen gesehen. Selbst zählte ich damals zu den Vorreiterinnen der Gruftis und war stolz darauf. Schwarze Kleidung, das Gesicht totenbleich geschminkt, die Augen mit Kajal umrandet, ein Krähennest aus rabenschwarz gefärbten Haaren, löchrige Strumpfhosen, schwarz lackierte Fingernägel, jede Menge Armreifen.
    Wir wurden schnell Freundinnen, hörten Prince, Purple Rain , und Falco, Junge Römer , wollten als Erntehelferinnen nach Nicaragua, sahen uns Dame Edna und Spitting Image im Fernsehen an, trugen Swatch-Armbanduhren, lasen Garfield-Comics, vergötterten Harrison Ford in Indiana Jones und der Tempel des Todes und waren kurz in denselben Mod mit militärgrünem Parka, dem Union Jack auf dem Rücken und apfelgrüner Vespa verliebt.
    Eine Weile aßen wir schweigend.
    »Sie hätte bestimmt gewollt, dass wir zusammen sind«, sagte Stefan dann.
    »Glaubst du?«
    »Ganz sicher. Wir drei waren wie eine Person. Ein Herz und eine Seele, hat sie oft gesagt. Kannst du dich an den Abend in deinem Zimmer in der Heinestraße erinnern, als wir uns die Arme ritzten und unser Blut vermischten?«
    »Ja. Jeder trank ein paar Tropfen. Sie lachte. Trio infernal, sagte sie, jetzt sind wir Verschworene.«
    »Siehst du. Es ist nur natürlich.«
    Das Bild der zu mir aufschauenden Regina mit dem hellen, leicht überheblichen Blick wollte sich nicht verflüchtigen.
    »Bist du eigentlich später noch einmal nach Procida gefahren?«, fragte ich.
    »Nein. Weshalb?«
    »Um nachzuforschen. Man hat ihren – ihre – man hat sie ja nie gefunden.«
    »Aber es gab doch keinen Zweifel. Sie ist ertrunken, das steht fest. Alles hat darauf hingedeutet.«
    »Trotzdem …«
    Emma und ich saßen in meiner Wohnung in Wien. Ich hatte sie zum Essen eingeladen und mir mit dem Kochen große Mühe gegeben, ein Versuch, die Verstimmung zwischen uns aus der Welt zu schaffen. Was eignet sich besser dazu als eine italienische Mahlzeit? Bisher hatten wir nicht viel miteinander gesprochen.
    Emma schnitt eine Scheibe vom Zampone ab und begutachtete die Fülle gründlich, bevor sie sich entschloss, davon zu kosten. Das missfiel mir. Ich hatte mir vorgestellt, dass sie den gefüllten Schweinsfuß, dessen Zubereitung mühevoll und aufwendig ist, mit etwas mehr Appetit verzehren würde.
    »Was ist denn da drin?«, fragte sie argwöhnisch.
    »Schwarte, Schulter, Haxe und Backe – und Zunge«, sagte ich. »Ach ja, und Pistazien. Schmeckt es dir nicht?«
    »Ehrlich gesagt, nicht besonders.«
    Ihr Kommentar kränkte mich. So kannte ich sie nicht. Normalerweise war sie taktvoll und höflich und lobte meine italienischen Gerichte.
    »Schade, dass du es so wenig zu würdigen weißt, wenn ich dich mit etwas ganz Besonderem überrasche. Ich habe den Zampone zwölf Stunden gewässert. Dann habe ich die Schwarte der Länge nach mit einer Stopfnadel in drei Reihen eingestochen und mit einem scharfen Messer auf der Unterseite ein kleines Kreuz gemacht. Siehst du es?«
    Emma drehte und wendete den Schweinsfuß missmutig mit Gabel und Messer in ihrem Teller und betrachtete ihn von allen Seiten. »Nein. Außerdem – da sind ja noch die Klauen dran!«
    Ich ignorierte diesen laienhaften Einwurf. Natürlich waren die Klauen dran. Wären sie es nicht, dann wäre es kein authentischer Zampone di Modena.
    »Diese langwierigen Vorbereitungen verhindern, dass der Schweinsfuß beim Kochen platzt. Dann habe ich ihn in ein Tuch aus Musselin gewickelt, in einen Topf gelegt, mit Wasser bedeckt und bei schwacher Hitze dreieinhalb Stunden garen lassen. Das ist viel Zeit, die ich auch am Institut hätte zubringen können, wo man meine Arbeit schätzt.«
    Nun schob sie die gekochten Linsen, die ich dazu serviert hatte, achtlos an den Tellerrand. Ich fand, dass meine Linsen es verdienten, mit mehr Respekt behandelt zu werden.
    »Man reicht das Gericht traditionell mit lenticchie«, sagte ich, »speziell zu Neujahr. Sie sind ein Symbol für Wohlstand und Glück.«
    »Ich habe Linsen nie gemocht«, stellte Emma fest.
    »Ich verstehe dich nicht«, sagte ich. »Du hast meine Speisen bisher immer mit Appetit gegessen.«
    Emma legte Messer und Gabel weg und schaute mich an. »Nein«, meinte sie dann. »Den habe ich dir vorgespielt. Um dich nicht zu verletzen. Dein italienisches Essen hat mir nie geschmeckt. Ich ziehe die österreichische Küche vor. Schweinsbraten mit Semmelknödeln, Zwiebelrostbraten, Erdäpfelgulasch,

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