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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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der sittlichen Ordnung einzustufen.«
    »Sodomie«, stöhnte meine Großmutter und trank ihren Sliwowitz aus. »Auch das noch!«
    »Dennoch – für die meisten der von dieser unseligen Neigung heimgesuchten Männer und Frauen stellt diese eine Prüfung dar«, führte Hochwürden weiter aus, »weshalb ihnen mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen ist. Die eine heilige katholische und apostolische Kirche schließt niemanden aus. Jedoch sollten solche Menschen zu bestimmten Aufgaben nicht herangezogen werden, so da sind …«
    Der Rest der Erläuterungen des Pfarrers ging in Geschrei unter, das vom anderen Tischende zu uns drang. Wir drehten uns um.
    »Du elender Kommunist!«, rief mein Großvater und schwang seine kraftlose Altmännerfaust über den Tisch in Richtung Brandmeister Haas, der ihr mühelos auswich. »Jeder weiß, dass dein Vater mit den Partisanen unter einer Decke gesteckt ist. Ein Vaterlandsverräter und Überläufer, der alte Haas! Er hat den Mast der Starkstromleitung bei Neudorf in die Luft gesprengt, der Bandit! Und der ist auf die Radlbacherin gestürzt, die Mutter meiner Schwägerin. Sie war auf der Stelle tot, auf der Stelle! Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!«
    »Du hast es nötig, andere zu beschuldigen, du alter Nazi!«, schrie Brandmeister Haas und sprang auf. »Du hast meinen Onkel Willi bei der Gestapo angezeigt, weil er den englischen Sender gehört hat, du nichtswürdiger Denunziant! Man hat ihn dann verhaftet und gefoltert, er hat die Verhöre nicht verkraftet und ist verrückt geworden!«
    Feuerwehrkommandant Hauptbrandinspektor Direktor Strohriegl, der gleichfalls bereits einige Gläser Tresterbrand zu sich genommen hatte, stand auf, streckte die Rechte aus und in die Höhe und begann zu singen:
    »Wo die Gemse keck von der Felswand springt / Und der Jäger kühn sein Leben waaagt / Wo die Sennerin frohe Jodler singt / Am Gebirg, das hoch in Wolken raaagt / Dieses schöne Laaand ist der Steirer Land, ist mein liebes, teures Heimatlaaand / Dieses schöne Laaand ist der Steirer –«
    Hier brach er ab, die Tonlage wurde ihm zu hoch.
    Hochwürden Wojcik stand auf, eilte zu den Kontrahenten und hob besänftigend die Hände: »Aber, aber, meine lieben Pfarrkinder, wer wird denn an diesem schönen und harmonischen Abend die Vergangenheit –«
    »Halt den Mund, du polnischer Untermensch!«, brüllte mein Großvater und stieß den Mann Gottes in die Hühnerbrust, sodass dieser zurücktaumelte und von meiner Großmutter aufgefangen wurde, die sich inzwischen ebenfalls am unteren Tischende befand. »Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten ein, du scheinheiliger Pfaffe, deine Meinung interessiert hier niemanden!«
    »Hör sofort auf, unseren Hochwürden zu beleidigen, du impotenter Tattergreis!«, rief meine Großmutter. »Was fällt dir ein? Der Haas hat recht, ein alter Nazi bist du, so wie deine ganze Sippschaft! Weiß der Himmel, warum ich dich geheiratet habe!«
    »Warum? Warum? Ich werde dir sagen, warum: weil deine Verwandten arm waren wie die Kirchenmäuse, deshalb! Slowenische Tagediebe, alle miteinander! Und ich hab mir von dir berechnendem Luder den Kopf verdrehen lassen, jung und dumm, wie ich war. Du hast es von Anfang an auf den Hof abgesehen gehabt, auf nichts anderes!«
    Meiner Großmutter verschlug es die Sprache, und Oberfeuerwehrmann Kienreich, der bisher kaum etwas gesagt hatte, nützte die so entstandene kurze Unterbrechung für einen Einwurf. »Genau! Genau!«, schrie er. »Slowenisches Lumpengesindel! Die komplette Untersteiermark haben sie uns nach dem ersten Krieg gestohlen, auf unbewaffnete Deutschösterreicher haben sie in Marburg geschossen, mein Urgroßvater, ein Uhrmacher, hat dabei seinen Arm verloren und war ruiniert! Und die –«
    »Halt’s Maul, Kienreich!«, fuhr Brandmeister Haas dazwischen. »Das sind Lappalien gegen das, was ihr Nazis angerichtet habt. Ihr habt unschuldige Menschen vertrieben, ihnen verboten, ihre Sprache zu sprechen, ganze Dörfer habt ihr ausgerottet, ihr Verbrecher!«
    Hochwürden Wojcik setzte zu einem weiteren Beschwichtigungsversuch an. »Also, ich möchte doch bitten –«
    Man beachtete ihn nicht.
    »Partisanenschwein!«, rief mein Großvater, beugte sich vor und riss Brandmeister Haas erbost einen glänzenden goldenen Knopf von seiner Uniform. »Und was hat Tito nach Kriegsende gemacht? Wir Deutsche wurden enteignet, inhaftiert, ermordet, eine beispiellose Brutalität! Mein bester Freund, der Joschi, ist jahrelang

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