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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ein Spiegelbild der Augen ihrer Schwester. Deswegen sahen sich die beiden auch so ähnlich.
    »Sie hat spitze Ohren, nicht wahr?«
    Emily ahnte es.
    Ich kniete mich in den Schnee vor Emily, sodass sich unsere Gesichter auf Augenhöhe gegenüberlagen. »Niemand darf davon erfahren«, sagte ich aufgeregt und schaute mich ängstlich um. »Emily, sie hat Ihre Augen.« Ich versuchte, mich zu beruhigen. »Wissen Sie, was das bedeutet?«
    Emily wurde ganz bleich.
    Dann lächelte sie.
    Nur zögerlich brachte sie die Worte hervor: »Sie ist meine Schwester?«
    Ich legte meinen Finger auf ihre Lippen und gebot ihr zu schweigen. »Niemals dürfen Sie das laut aussprechen. Ja, sie ist Ihre Schwester. Und nicht, wie wir fälschlicherweise angenommen haben, Ihre Halbschwester.« Mein Gott, es waren wirklich die gleichen Augen!
    Konnte das sein?
    »Bedeutet das, dass …«
    »Richard Swiveller ihr Vater ist?« Ich nickte nur.
    »Weiß der Mann meiner Mutter davon?«
    Ich ließ meinen Blick durch den Park schweifen, konnte jedoch keinerlei verdächtige Gestalten entdecken. »Das, Miss Emily, ist die alles entscheidende Frage.« Mir schwindelte. Konnte dies der Schlüssel sein? Doch wie war das möglich? Weshalb hatten die Ratten nichts davon gewusst?
    »Was werden wir jetzt tun?«
    Ich erhob mich und klopfte mir den Schnee vom Mantel.
    »Wir werden das tun, was wir tun müssen. Wir werden die kleine Mara nach Manderley Manor bringen. Und ihrer Mutter übergeben.«
    »Und dann?«
    Meine Güte!
    »Fragen Sie nicht!«
    »Wenn ich es aber doch tue?«
    Seufzend gestand ich ein: »Dann werde ich Ihnen leider keine Antwort geben können.«
    »Und warum?«
    »Weil ich momentan ebenso ratlos bin wie sie.«
    Immerhin war das die Wahrheit.
    Wozu dient Wissen, wenn es dem Wissenden keinen Gewinn bringt?
    Manderley Manor erhob sich aus der verschneiten Weite des Parks wie ein düsterer Schatten. Ein monumentales Bauwerk aus einstmals roten Backsteinen, die mittlerweile eine grauschwarze Färbung angenommen hatten. Die großen Fenster und gotischen Erker umrankt von wucherndem Efeu. Das zackige Dach mit den Türmen dem wolkenverhangenen Himmel zugeneigt.
    Wir traten durch das riesige Portal ein, ein Monstrum aus gusseisernen Fabelwesen, die, alle ineinander verwoben, ein undurchdringbares Geflecht bildeten, hinter das zu schauen den meisten Menschen verwehrt blieb.
    Als wir am Herrenhaus angelangt waren, öffnete uns ein feister Butler, der uns höflich hereinbat.
    »Dies alles ist Elfenwerk«, flüsterte ich Emily zu.
    Die filigrane Wendeltreppe, welche die Eingangshalle beherrschte. Die mannshohen Gemälde, von denen die meisten die Ahnen aus dem Geschlecht der Manderleys zeigten. Die seltsam missgestaltet wirkenden Pflanzen, die sich an der Treppe emporrankten und mit mehr Leben erfüllt zu sein schienen, als es Pflanzen im Allgemeinen zustand. Die hohe Decke, an der runenähnliche Symbole prangten.
    »Sie wünschen?«
    Eine gestrenge Frauenstimme, energisch und hart und von hohem Alter kündend, zerschnitt die Stille der Halle. Nur ein Schattenriss der Frau war auf der Treppe erkennbar. Einer hoch gewachsenen Frau mit streng geflochtenem Haar.
    »Master Wittgenstein«, stellte ich mich in aller Förmlichkeit vor, »aus dem Hause Hampstead.«
    »Ein Rattenfreund«, kam die Antwort.
    Ich fügte hinzu: »Master Micklewhite schickt mich.«
    »Mit welchem Anliegen?«
    »Ihnen etwas zurückzubringen, wonach Sie lange Zeit gesucht haben.«
    Ich schob den Kinderwagen ein Stück nach vorne, sodass sie sich ein Bild machen konnte.
    »Miss Mara Mushroom.«
    Unsanft fuhr sie mir ins Wort: »Nennen Sie diesen Namen nicht in meinem Haus!«
    »Verzeihung, Mylady.«
    »Wer ist die da?«
    Die hoch gewachsene Gestalt stieg die Treppe herab, wobei es eher den Anschein hatte, als würde sie schweben.
    »Miss Emily Laing«, stellte ich meine Begleiterin vor.
    »Kann sie nicht selber sprechen, das dumme Kind?«
    Emily reagierte sofort: »Natürlich kann ich selber sprechen. Und dumm bin ich auch nicht.«
    »Das wird sich noch zeigen.« Aus den Schatten trat eine bleiche Frau unbestimmten Alters. Ihre strahlend blauen Augen bohrten sich durch die Dunkelheit. Sie mochte hundert oder tausend Jahre alt sein. Wer konnte das schon sagen?
    »Miss Laing ist eine Assistentin.«
    »Was Sie nicht sagen.« Mylady Manderley starrte in das Gesicht des Kindes und erbleichte.
    Sie erkannte Emily wieder.
    »Eine Assistentin, sagten Sie?« Sie musterte mich streng.
    »Ja.«
    Sie

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