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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Spiegelscherbenaugen, die noch immer im neunten Höllenkreis ihr trauriges Dasein fristeten. Um die sich niemand Gedanken machte, weil alle sagten, dass man ihnen nicht helfen könne.
    Was war das nur für eine Welt?
    Warum passierten all diese Dinge?
    Aurora wusste, dass ihr niemand darauf antworten würde. So war das, wenn ein Kind drängende und wichtige Fragen hatte. Kein Erwachsener konnte sie beantworten, weil den Erwachsenen, als sie Kinder gewesen waren, auch niemand darauf geantwortet hatte. Kinder gingen davon aus, dass die Erwachsenen die Antworten wussten. Doch war das nicht ein Trugschluss?
    Unwillkürlich drehte sich Aurora um und suchte die laternenhelle Straße nach sich bewegenden Schatten ab. Irgendwo steckte der Reverend, der nach des Lichtlords Niederlage aus dem Waisenhaus geflohen war. Irgendwo verbarg sich der alte Mann und arbeitete weiter an den Experimenten, die er mit den älteren Kindern durchgeführt hatte. Jenen Kindern, deren Unschuld von unzähligen schlechten Erfahrungen überlagert wurde. Der Lebensbaum im Hölleninneren wurde vom Wyrm genährt, und der Wyrm labte sich nur an der Unschuld von Kindern. Von ganz kleinen Kindern, die noch kein Übel erfahren hatten in ihrem kurzen Leben. Doch hatte dieses Elixier wohl nicht ausgereicht. Und so hatten Dombey und Snowhitepink im Auftrag des Lichtlords nach neuen Mitteln und Wegen gesucht.
    Was, hatte sich Aurora in den einsamen Nächten oft gefragt, war mit all den Kindern geschehen, die auf so seltsame Weise verschwunden waren, nachdem Madame Snowhitepink sie mit sich genommen hatte? Auch Emily hatte sich darüber den Kopf zerbrochen und keine Antworten gefunden. Vielleicht war es auch besser so. Vielleicht wollten die Mädchen es gar nicht wissen.
    Aurora atmete tief durch.
    Die klare Nachtluft tat so gut.
    Erfrischend war sie. Und schmeckte nach Nebel und Regen.
    Die letzten beiden Stunden war Aurora alleine durch die City gestreift.
    Sie hatte versucht, ihre Gedanken zu klären. Charing Cross, Shaftesbury Avenue, Piccadilly, Regent Street. All die Geschäfte und Kaufhäuser und Buchläden und Souvenirshops. Die schillernden Leuchtreklamen. Die CDs, die sie sich im Sony Centre angehört hatte. Dancefloor, Hardrock. Nichts hatte sie abzulenken vermocht. Kurz war sie eingekehrt. Im McDonald’s an der Whitehall, wo sie eine heiße Schokolade geschlürft und dabei die vielen ausländischen Touristen belauscht hatte. Ohne Arg schlenderten sie durch London und ahnten nicht, was hier wirklich geschah. Mit Kameras bewaffnet streiften sie durch das Labyrinth der Stadt, sammelten Schnappschüsse und legten Rast ein bei McDonald’s und Burger King, den größten öffentlichen Toiletten in Londons Innenstadt. Am liebsten wäre Aurora davongelaufen. Vor dem, was war, und vor dem, was noch auf sie zukommen mochte.
    Die ganze Zeit über sah sie die beiden Gesichter vor sich.
    Mr. Fox und Mr. Wolf.
    Die so unvermittelt im Lesesaal der Nationalbibliothek und in ihrer aller Leben aufgetaucht waren.
    Freundlich lächelnd standen die beiden inmitten der Regalreihen voller dicker, staubiger Wälzer.
    Sie sehen wirklich ein wenig aus wie Rowan Atkinson, hatte Aurora gedacht. Die gelben Augen hatten sie hinter dunklen Brillen verborgen. Sie trugen dunkle, maßgeschneiderte Anzüge und dazu passende Mäntel.
    »Der Lordkanzler von Kensington bittet um ein Gespräch«, hatte Mr. Fox gesagt.
    »Es ist wichtig«, hatte Mr. Wolf ergänzt.
    »Worum geht es?«
    Des Elfen Stimme klang ungehalten.
    Mr. Fox sagte: »Um die Dinge, die in London geschehen. Es ist eine delikate Angelegenheit.«
    »Delikat, ja. Weil sie uns zu einer Kooperation zwingt.« Mr. Wolf war wie immer das Echo seines Kumpanen.
    »Uns?«
    »Sie, Master Micklewhite, den Alchemisten, die Ratten.«
    »Nicht alle Ratten.«
    »Aber die meisten. Die edlen unter ihnen.« Ein zynischer Unterton schwang in dieser Aussage mit. Mr. Fox trat einen Schritt näher an den Tisch heran. »Mylady Hampstead ist erkrankt.«
    »Ja, auch davon haben wir gehört.«
    »Und es sieht nicht gut aus für die alte Rättin«, fuhr Mr. Fox fort. »Ein Rattling hat sie gebissen. Uh, uh, unschöne Sache.«
    »Wir haben schon früher erlebt, zu was das führt.«
    »Böse, böse Sache.«
    »Ganz böse.«
    »Was wissen Sie von den Rattlingen?«
    »Wir persönlich?«, stellte Mr. Wolf die Gegenfrage.
    »Genug, um mit Besorgnis zu reagieren«, antwortete Mr. Fox.
    »Was hat Kensington damit zu tun?«
    Maurice Micklewhite traute den

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