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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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würde er ermüden oder aus einem anderen Grund von ihr ablassen wollen. Nein, die Hymenopteras würden auf ihrer Fährte bleiben, sie durch die ganze Region hetzen und auch nicht vor den oberen Schichten Halt machen.
    Emily verzog das Gesicht.
    Seitenstechen begann sie zu quälen.
    Besorgt bremste Dinsdale ab und flog eine Schleife, um ihr Mut zuzusprechen.
    »Was können wir nur tun?«
    Ihre Stimme war nurmehr ein schwächliches und verängstigtes Keuchen.
    Emily sah sich um.
    Vor ihr befand sich eine Weggabelung. Ein in Stein gemeißelter Jupiter sah auf das Mädchen herab.
    »Irgendwelche Vorschläge?«, fragte sie die Steinfigur.
    Der Jupiter schwieg.
    Große Weinfässer standen am Wegesrand inmitten einer Ansammlung aus Schrott und verwitterten Marktkarren. Lange, kunstvolle Spinnweben verbanden die achtlos liegen gelassenen Gegenstände zu einem Gesamtbildnis. Zerbrochene Teller und Becher und Vasen übersäten den Boden.
    Das Surren wurde lauter.
    Mit einem Mal konnte sich Emily vorstellen, wie das Leben hier einst gewesen war.
    In den Erdgeschossen hinter Rundbögen, die sich zur Straße hin öffnen, liegen Tavernen, wo Wein und Brot und warme Gerichte zu haben sind. Hinter den Rundbögen arbeiten Tonsores und stutzen den Männern mit Messern den Bart oder drehen ihnen mit Eisenstäben, die in glühender Asche erhitzt werden, Locken ins Haar. Metzger bieten Rinderlungen und Schweinezitzen feil, daneben haben Honig- und Gemüse- und Obsthändler ihre Stände aufgebaut. In den Fenstern stehen Blumentöpfe, und es riecht nach Gewürzen, überall hört man lautes Gerede und Lachen und Feilschen.
    Was davon übrig geblieben war, lag nun zu ihren Füßen.
    Scherben.
    Unrat.
    Staub.
    »Weinfässer!«
    Warum war sie nicht schon früher auf den Gedanken gekommen?
    Augenblicklich machte Emily sich an einem der Fässer zu schaffen. Der Deckel ließ sich mühelos beiseite ziehen und hatte zudem einen Griff an der Außenseite. Gut so. Sie kletterte in das Fass hinein und verabschiedete sich von Dinsdale, der die Hymenopteras in die Irre leiten und dann später zu ihr zurückkehren sollte. Das war ihr Plan. Die dummen Hymenopteras würden dem Irrlicht durch die Gänge folgen, während Emily in dem Fass ausharrte, bis sich der Tumult gelegt hatte. Dinsdale würde zu ihr zurückkehren, um die Region anschließend gemeinsam mit ihr zu verlassen.
    Mit einem letzten Flimmern verabschiedete sich Dinsdale von dem Mädchen und schwirrte davon.
    Emily hielt den Deckel mit aller Kraft fest.
    Sie wusste nicht, wie stark eine Hymenoptera war und ob ihr das Fass wirklich ausreichend Schutz bieten würde, sollte der Schwarm sie hier ausfindig machen. Letzten Endes gab es nur eine Möglichkeit, dies herauszufinden. Unnötig zu betonen, dass Emily nicht besonders scharf darauf war, diese Möglichkeit auszuprobieren.
    Sie versuchte, das in den Lektionen Erlernte anzuwenden. Schnell wurde ihr Atem regelmäßiger. Ihre Hände hörten auf zu zittern. Sie lauschte dem Schwarm, der angefacht von hunderten filigraner Flügel zu einem lauten Tosen anschwoll und sogleich wieder verebbte, als er die Stelle mit dem Fass und seinem kostbaren Inhalt hinter sich ließ.
    Emily wollte gerade aufatmen, als etwas von außen gegen das Fass schlug.
    Ein erneuter Aufprall ließ das Mädchen beinahe aufschreien.
    Eine Vielzahl langgliedriger Beine kratzte von außen gegen das Holz und suchte nach Rissen, um hineinzugelangen. Der Schwarm hatte sie entdeckt. Kiefer schabten am Fass entlang, und Emily musste mit aller Kraft den Griff festhalten, um zu verhindern, dass die Hymenopteras ihn wegzogen.
    Flügel surrten wütend, weil die Hymenopteras ihre Beute gefunden hatten und in der Falle wussten. Dem Krach nach zu urteilen, den die Viecher machten, musste eine ganze Horde von ihnen da draußen das Fass belagern.
    Emily hatte Mühe, ihre Furcht zu kontrollieren.
    Die Aussicht, dass sie nur die dünne Wand des Fasses von den gierigen Insekten trennte, war nicht gerade ermutigend. Zudem war es stockfinster. Und sie hasste die Dunkelheit. Es war wie Erblinden.
    Die Hände des Mädchens begannen zu zittern.
    Nicht aus Angst, sondern vor Erschöpfung.
    Die Hymenopteras hatten die Schwachstelle des Fasses ausfindig gemacht. Mehrere der Kreaturen krallten sich am Deckel fest und schlugen wie wild mit den Flügeln.
    Sollte Emily je Zweifel bezüglich der Stärke der Insekten gehabt haben, so waren diese jetzt verschwunden. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis die

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