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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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einschlägt. Entfernt man sich vom Pfad und bahnt sich seinen Weg durchs Unterholz oder folgt man den ausgetretenen Wegen und findet sich alsbald vor einem Abgrund wieder?
    Der nächste Schritt.
    Uns führte er hinüber nach Bloomsbury.
    »Wohin gehen wir?« Vermummt in eine blaue Jacke mit Fellkragen, die ich am Morgen bei Marks & Spencer für sie erstanden hatte – mitsamt einer Vielzahl weiterer Kleidungsstücke, will ich hier anmerken –, stiefelte Emily Laing meinen großen Schritten folgend durch den Schnee in Richtung Russell Square.
    »Immer der Nase nach, kleine Emily.«
    »Warum nennen Sie mich kleine Emily?«
    »Fragen Sie nicht.«
    »Warum?«
    »Darum.«
    »Das ist keine Antwort.«
    Oh, dieses Kind!
    Nun denn.
    »Weil es Ihr Name ist«, antwortete ich. »Zudem sind Sie ein junges Ding. Das passende Adjektiv zum richtigen Namen.« Ich sah sie mir an. »Und außerdem zur Körpergröße.«
    »Das meine ich nicht.«
    »Sondern?«
    »Es klingt nett, wie Sie das sagen.«
    Ich blieb stehen und sah überrascht auf sie hinab. »Bitte sehr.« Dann setzte ich den Weg fort.
    Sie folgte mir grinsend. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
    »Das stimmt.«
    »Wohin gehen wir?«
    »Fragen Sie doch nicht andauernd.«
    »Wohin?«
    Sie begann anstrengend zu werden.
    Ich tippte mir an die Nasenspitze, schaute meine Begleiterin streng an und deutete in Richtung Bedford Place. »Ich sagte es Ihnen bereits: immer der Nase nach.«
    Wütend blieb Emily stehen. »Das ist nicht komisch«, sagte sie laut.
    Sie streng musternd antwortete ich: »Doch, ist es.« Das verwirrte sie ein wenig. Bevor sie jedoch etwas entgegnen konnte, entschärfte ich die Situation mit einem angedeuteten Grinsen. Es sah nicht so aus, als mochte Emily meine Art von Humor. »Wir suchen einen Freund auf, kleine Miss Emily. Im Britischen Museum.« Das schien ihren Wissensdurst vorerst zu stillen.
    »Wird er uns helfen?«
    »Das hoffe ich. Immerhin ist er ein Freund.«
    »Kennt Ihr Freund die nette Ratte?«
    Dieses Kind!
    »Sie treffen sich zweimal die Woche, um Schach zu spielen. Im Lesesaal der Nationalbibliothek.«
    Das war es, was Maurice Micklewhite und Seine Lordschaft verband. Sie genossen es, sich auf dem schwarzweißen Schlachtfeld gegenüberzustehen und mit kindlichem Eifer nach dem König des anderen zu gieren. Begleitet wurden diese Partien – unter denen nicht wenige sind, die als legendär bezeichnet werden können – von ausschweifendem intellektuellem Disput.
    Maurice Micklewhite war einer der Bibliothekare der Nationalbibliothek und ein Kenner der alten Schriften.
    Und nicht zuletzt …
    »Ein waschechter Elf!«
    Er hatte die ruhige, doch keinen Widerspruch duldende Stimme eines sehr alten Wesens.
    »Emily Laing«, stellte sich die Kleine ihm zaghaft vor.
    Maurice Micklewhite schüttelte dem Mädchen höflich die Hand. Für einen reinblütigen Elfen wirkte er erstaunlich wenig grazil, was ich seiner Leidenschaft für exotische Schokoladen zuschrieb. Über sein Alter sprach er niemals. Die grünlich schimmernden, geschlitzten Augen verrieten ihn jenen mit wachen Blicken eindeutig als Angehörigen des Elfenvolkes. Die spitzen Ohren jedoch wurden durch geschickt frisierte blonde Locken verdeckt. Der helle Anzug, den er trug, zeugte vom modischen Geschmack seiner Gattung.
    Ich kam augenblicklich zur Sache. »Wir benötigen deine Hilfe.«
    »Ist die Sache wirklich so dringlich?«
    »Es ist höchste Eile geboten.«
    »Das Mädchen ist tatsächlich eine von ihnen?« Fasziniert betrachtete er meine Begleiterin durch die Gläser einer schmalen Brille.
    Emilys Blick wanderte neugierig zwischen Maurice und mir hin und her.
    »Sie kann es. Da bin ich mir sicher.«
    »Du hast sie getestet?«
    »Wo denkst du hin. Dafür war keine Zeit.«
    »Du hast es ihr aber doch gesagt, oder?«
    Ich schwieg. Mürrisch.
    »Was hätten Sie mir denn sagen sollen?«, bohrte nunmehr auch Emily.
    »Du hast es ihr also noch nicht gesagt!«, stellte Maurice unnötigerweise fest.
    Emily wirkte immer ungeduldiger. »Was denn nun?«
    »Ich dachte, sie findet es von alleine heraus«, antwortete ich und fügte entschuldigend hinzu: »Ich habe es immerhin auch alleine herausgefunden.« Dann wandte ich mich Emily zu und brachte es auf den Punkt. »Emily Laing, Sie sind eine Trickster.«
    »Ach so«, entgegnete sie lapidar und zog ein Gesicht. »Danke für die Information.«
    Nun wusste sie es.
    Eine verlegene Stille breitete sich in dem kleinen Büro aus.
    Ich

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