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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Troja entstehen sollte. Und Master Lycidas nutzte die uralte Metropole Londons, die weit reichenden Zugang zur Hölle gewährleistete.«
    »Wenn die Hölle aber ein den Erdball umspannendes Höhlensystem ist«, begann Rahel, »das eine Vielzahl an Zugängen hat …«
    »Dann droht uns vom Nyx eine weitaus größere Gefahr, als wir ursprünglich angenommen haben«, dachte Maurice Micklewhite, der ganz bleich geworden war, den Gedanken des Engels laut zu Ende.
    Miss Monflathers blickte ernst in die Runde. »Lilith und Lycidas waren nicht durch die Welt gewandert und irgendwann in Londinium gestrandet. Nein, sie haben schon immer hier gelebt. In London. Von hier aus waren sie all die Jahrhunderte über in die Hölle hinabgestiegen und konnten die Welt an jedem beliebigen Ort betreten, sei dies die Oase von el-Bahariya oder das deutsche Städtchen Hameln, die alte Stadt Rom oder das mittelalterliche St. Cérilly. Wenn wir die alten Schriften durchforsten, dann stoßen wir in allen Kulturen auf Berichte über verschwundene Kinder.«
    »Mylady Lilith ist der gemeinsame Nenner.«
    »Ja, Mylady Lilith und die Tatsache, dass man in der Hölle an jeden beliebigen Ort der Erde reisen kann.«
    Jetzt war die Katze aus dem Sack.
    Hockte da und starrte uns an.
    Aus kalten, mitleidlosen Augen.
    »Wenn es dem Nyx gelingt, die Höllenkreise zu okkupieren«, hörten wir den Engel sagen, »dann droht nicht nur der Stadt London unermessliche Gefahr.« Schon lange war Rahels klare Stimme keine fließende Melodie mehr.
    »Trefflicher könnte selbst ich es nicht ausdrücken«, bemerkte Miss Monflathers.
    Entfernung, das wussten wir alle, spielte hier unten kaum eine Rolle.
    Ebenso wenig die Zeit.
    Oder, wie ich es Emily gegenüber formuliert hatte: »Mit der Zeit ist das so eine Sache.«
    Der Ophar Nyx musste aufgehalten werden, sonst würden die Folgen nicht absehbar sein. In welchem Zusammenhang all diese Fakten mit dem erneuten Auftauchen der Golems, der Hymenoptera-Falle am Abgrund in der Region und der neu entfachten Fehde zwischen den beiden großen Häusern standen, konnte keiner der Anwesenden mit Bestimmtheit sagen. Dass es jedoch einen Zusammenhang geben musste, darin waren sich alle einig.
    Als hätte dies nicht ausgereicht, um unsere Köpfe mit absonderlichem Gedankengut zu füllen, stießen wir inmitten des Höllenkreises auch noch auf einen alten Bekannten. Zumindest war jene Person mit Maurice Micklewhite bekannt, wenngleich angemerkt werden muss, dass es nicht unbedingt eine Bekanntschaft war, die die beiden verband, sondern eher eine flüchtige Begegnung.
    Eine Stunde waren wir bereits durch die vor Eis klirrenden und schneebedeckten Tunnel der Hölle gewandert, als wir in einer großen Höhle auf den alten Mann trafen, der verzweifelt darum bemüht war, die seltsamen mechanischen Geräte in Gang zu bringen, die sich bis zur Höhlendecke auftürmten. Er machte dabei einen Lärm, der unser Bemühen, möglichst lautlos durch das Labyrinth zu schleichen, ad absurdum führte. Fortwährend hatte uns die Angst im Nacken gesessen, den Nekir zu begegnen, oder, viel schlimmer noch, den Limbuskindern. Irgendwo hier unten, da waren wir uns sicher, mussten sich die Kreaturen noch herumtreiben. Also hatten wir vorsichtig an jeder Biegung des Weges Halt gemacht und furchtsam in die Schatten gelugt, die vor uns lagen. Doch kein Anzeichen von Leben hatten wir entdeckt, bis wir dann in einen Teil der Hölle kamen, in dem tatsächlich noch Kinder arbeiteten, wenngleich arbeiten nicht der rechte Ausdruck war für die Tätigkeit, die sie da verrichteten. Schmutzige und zerlumpte Kinder mit Spiegelscherbenaugen schlurften unkoordiniert durch die Gänge, rutschten teilweise sogar auf dem eisigen Untergrund aus. Einige hinkten, da sie sich Knöchel oder Beine gebrochen hatten. Schmerzen schienen sie keine zu verspüren, doch war ihre Beweglichkeit stark eingeschränkt. Ihre Gesichter wirkten ganz eingefallen. Die Kinder brannten mit Fackeln das Eis von dem Felsgestein und schürften Brocken aus den Wänden, die überall herumlagen. Es war, als seien sie in dieser sinnlosen Tätigkeit gefangen, als täten sie unentwegt und stupide immer das Gleiche.
    Die Hölle, erinnerte ich mich, ist die Wiederholung.
    Dann sahen wir den alten Mann.
    Er kletterte an einer der Maschinen auf und ab und schimpfte unablässig vor sich hin, schrie tobsüchtig nach den Kindern, in deren kalten Spiegelscherbenaugen sich jedoch nur sein altes, zu einer Fratze verzerrtes

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