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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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nichts.
    Verharrten beinah regungslos an ihren Plätzen.
    Rahel registrierte unsere zweifelnden Blicke. »Eines Engels Wort zählt auch in der Hölle«, sagte er.
    Es war nicht an uns, dies zu hinterfragen.
    So wanderten wir weiter. Durch eisig klirrende Tunnel und große Höhlen, in denen sich Schneeflocken bildeten und auf unsere Häupter rieselten. Grob in den Fels geschlagene Treppenstufen hinauf und an Wänden entlang, die brackiges Wasser schwitzten, das fast augenblicklich zu skurrilen Gebilden gefror. Wir wussten alle, dass die Themse jetzt sehr nahe war. Die Feuchtigkeit, deren eisige Spuren wir überall sahen, war das Vermächtnis des dunklen Flusses.
    Dann erreichten wir die Zitadelle.
    Jenen Ort, an den Emily und ich vor mehr als einem Jahr gebracht worden waren, um den Lichtlord zu treffen. Dort hatte uns Lycidas neue Lügen aufgetischt und die kleine Emily zum Leben erweckt, als das Gift des Nekir ihren Körper fest in den Krallen gehalten hatte.
    Der Tower von London.
    Jedenfalls die Version der uralten Metropole davon.
    »Beeindruckend, nicht wahr?«, murmelte Miss Monflathers anerkennend.
    Die Zitadelle, die unterhalb des Towers von London inmitten eines gigantischen Hohlraumes liegt, wirkte verlassen. Wir lenkten unsere Schritte über ödes Gestein und fauliges, braunes Moos, beides glitschig vor Feuchtigkeit, die der dunkle Fluss, der hier ganz nah war, durch die Felsen drückte. Kaltes, schmutziges Wasser tropfte von der hohen Decke auf die Zitadelle herab und tauchte sie in feine Nebelschwaden.
    Dann erreichten wir das Verrätertor.
    Auch in London über uns gab es ein solches Tor, durch das man einst die Verräter geführt hatte. Hinein in den Tower und hinab in die Verliese, wo sie ihrer Hinrichtung harrten. Direkt am Fluss lag das breite Tor, sodass man die Gefangenen in sicherem Gewahrsam dort hatte abliefern können. Treppenstufen führen zum Tower hinauf. Wie gesagt, dies war das Tor in London.
    Doch das London, das wir kennen, lag einige hundert Meter über unseren Köpfen.
    Die Themse ebenso.
    Jener dunkle Fluss.
    Hier unten gab es doch auch einen Fluss. Emily und Aurora hätten dies bestätigt, wären sie nur bei uns gewesen. Ein Fluss, so dunkel und kalt und reißend, dass es ihn nur in den Tiefen geben kann. Manche nennen ihn Acheron, andere Styx. Die Tunnelstreicher bezeichnen ihn als den dunklen Fluss. Die Themse-darunter. Viele Worte, doch letzten Endes blieb es nur ein Fluss. Mächtig und fordernd, doch zuweilen auch ruhig und beschaulich. Wie hier, am Verrätertor, wo die in Lumpen steckenden Skelette längst Dahingeschiedener an gusseisernen Haken befestigt waren, zur Abschreckung ungebetener Gäste und zur Ankündigung dessen, was einst innerhalb der mächtigen Mauern geschehen war. Das Verrätertor war aus Eisen gefertigt, denn Holz würde hier unten faulen. Und wenngleich die beiden Flügel des Tores auch mit dickem Rost und etwas, das wie schwarze Algen aussah, überzogen waren, so war es dennoch stabil, allem trotzend, was den Versuch wagen würde, es herauszufordern.
    Überall lagen die einstigen Wächter des Towers umher, jene hageren Rabenmenschen, die schwarze Gehröcke mit dem roten Muster trugen wie ihre Spiegelbilder in London über uns. Es war die Garde, die den Tower bewachte. Normalerweise. Die Garde des Lichtlords.
    »Sind sie tot?«, fragte Miss Monflathers mit einem Blick auf die Szenerie.
    »Nein«, antwortete Rahel, »sie schlafen nur.«
    Weiter vor uns, hinter der hohen Mauer, die die Anlage umgab, befand sich der White Tower, dessen vier Türme sich majestätisch der Höhlendecke entgegenreckten. Dort würden wir die Lichtlady vorfinden. Dies war der Bestimmungsort unserer Reise. Um dorthin zu gelangen, mussten wir jedoch das Tor durchschreiten, und schon aus der Ferne gewahrten wir die beiden hoch gewachsenen Gestalten, die vor dem massiven, riesigen Tor mit seinem schmiedeeisernen, wasserspeierähnlichen Türklopfer standen. Engel waren es, die mit schillernden Rüstungen Wache standen und uns Neuankömmlinge mit flammenden Blicken empfingen.
    »Urieliten«, flüsterte Maurice Micklewhite leise.
    Dinsdale dimmte sich furchtsam.
    Flog hinter meinen Rücken.
    Freundlich gesinnt wirkten die beiden Engel jedenfalls nicht. Die schmalen Gesichter waren mit Symbolen und Zeichen übersät, die in die Haut eintätowiert waren.
    »Niemand darf hinauf zur Schläferin«, sagte der Engel mit den blauen Runen im Gesicht.
    »Also trollt euch!« Der zweite Engel, der von

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