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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Maschine entlang. »Ein Nekir«, flüsterte der Elf.
    Sie lebten also doch noch hier unten.
    Der alte Mann, der einst Reverend Dombey gewesen war, bemerkte den Nekir ebenso wenig wie er unsere Anwesenheit bewusst wahrgenommen hatte. Unbeirrt ging er seiner Betätigung nach.
    Vielleicht hatte seine Sehkraft nachgelassen – ebenso wie sein Gehör, denn das kratzende Geräusch der Insektenbeine auf dem rostigen Stahl und den blechernen Schläuchen war kaum zu überhören. Doch war der Reverend eigentlich schon tot. Was also kümmerten ihn die Nekir? Später sollte Maurice Micklewhite bemerken, dass der Reverend rasant gealtert war. Was wir da krabbelnd und sabbernd an der Maschine hängen sahen, hatte kaum mehr Ähnlichkeit mit jenem Reverend, den die Kinder im Waisenhaus so gefürchtet hatten.
    »Er hat sich wohl in die Hölle geflüchtet«, sollte Maurice Micklewhite später mutmaßen, »weil er sich hier vor seinen Verfolgern sicher wähnte und gedachte, die begonnenen Forschungen mit all den unglückseligen Spiegelscherbenkindern zu Ende bringen zu können.« Hatte er gehofft, noch Unschuld aus jenen Kindern gewinnen zu können, die ohnehin nicht mehr waren als leere Hüllen? Hatte er die Nekir im Zaum halten können? Hatte er keine Angst vor den Limbuskindern gehabt? Oder war er unwissend in die Hölle hinabgestiegen, wie so viele vor ihm auch?
    Niemals würden wir Antworten auf all diese Fragen erhalten.
    Denn der Nekir war auf Beute aus.
    Vermutlich war Dombey junior auf eine ähnliche Art und Weise zu Tode gekommen.
    »Wir sollten uns zurückziehen«, schlug Miss Monflathers vor, die wachsam nach allen Seiten spähte.
    Dem war nichts entgegenzusetzen.
    Der Nekir schob sich langsam vorwärts.
    Reverend Dombey fuchtelte nach wie vor krabbelnd und sabbernd an den Konsolen des Apparates herum. »Diese verfluchten Kinder«, hörten wir ihn laut fluchen. Dann griff der Nekir an. Erschrocken riss der Reverend die Augen auf, als die sechs langen Beine über ihm waren und sich der vor Gift triefende Stachel in seine Brust bohrte. Nur ein dumpfes Stöhnen entrann seiner Kehle. Die alten Hände ließen die Maschine los, als der Nekir des alten Mannes Körper packte und mit ihm zu Boden schwebte. Augenblicklich begann der Nekir zu speisen, und es war kein schöner Anblick, der sich uns da bot.
    Dann hörten wir es.
    Erst leise, dann deutlicher.
    Maurice Micklewhite warf Miss Monflathers einen eindeutigen Blick zu.
    Ich drehte mich um.
    »Der alte Mann war lediglich ein Köder«, sagte Miss Monflathers.
    Auch ich sah jetzt, was sie zu dieser Annahme verleitete.
    Nekir aller Größen wuselten an der Höhlendecke entlang, verließen die Felsspalten und streckten ihre Glieder. Schmale Facettenaugen funkelten gierig im Dämmerlicht hoch über uns. Vermutlich hatten sie Dombey junior gefressen und sich den Reverend als eine Art Vorrat aufgespart. Vielleicht hatte der einstige Reverend auch tatsächlich als lebendiger Köder gedient, um arglose Wanderer anzulocken, denn noch während der Nekir an seiner Beute nagte, erwachten andere seiner Art zum Leben.
    »Dies ist ein Nest«, mutmaßte Miss Monflathers.
    Der Anzahl der Kreaturen nach zu urteilen, hatte sie nicht einmal Unrecht.
    Fühler tasteten und Krallen schabten an den Felsen entlang. Schwarze, zackige Leiber färbten das an den Höhlenwänden glitzernde Eis dunkel. Ein heller, grillenartiger Ton erscholl aus vielen zangenbewehrten Mündern. Mandibeln knackten, und Speichel troff herab.
    »Überlasst sie mir!«, erklang des Engels mächtige Stimme.
    Mit einem Mal war da wieder die alte Melodie.
    Rahel trat vor und breitete die Schwingen aus. In seiner ganzen Pracht stand er da, und um uns herum verstummten die Geräusche, verebbten die Bewegungen, hielt die Hölle den Atem an. Rahel sang in einer uralten Sprache. Fühler zuckten und Panzer klirrten. Die insektenartigen Nekir verharrten, und es wurde ganz still in der großen Höhle.
    Nur des Engels Gesang erfüllte die Hölle.
    »Er erweckt den Eindruck«, murmelte Maurice Micklewhite, »als wüsste er, was er da tut.«
    Miss Monflathers erwiderte nur: »Das sollte er auch!«
    Eine andere Möglichkeit, von hier zu entkommen, gab es nämlich nicht.
    Die Nekir waren überall.
    Die Kinder mit den Spiegelscherbenaugen beachteten die Nekir nicht, und die Nekir beachteten ihrerseits die Kinder mit den Spiegelscherbenaugen nicht.
    Rahel drehte sich zu uns um.
    »Lasst uns diesen Ort verlassen«, schlug er vor.
    Die Nekir taten

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