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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Augen der Lichtlady schimmerten jetzt in einem hellen Grün, und ihr Gesicht war wieder ganz zu der weiß geschminkten Maske erstarrt, wie es so oft der Fall war. »Ich werde den
Heuwagen
vermissen.«
    Ich wusste, was sie meinte.
    Ohne zurückzublicken verließ ich die Nationalgalerie. Und fragte mich bedrückt, wohin meine eiligen Schritte mich wohl führen würden.

Kapitel 7
Geheimnisse
    »Sie hat mir alles gesagt«, gestand mir Emily, nachdem wir Manderley Manor verlassen hatten und bereits auf dem Weg hinauf nach Kensington waren. Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren, denn die Ereignisse spitzten sich zu. Ganz bleich und in Tränen aufgelöst war das Kind gewesen, als ich sie in Empfang genommen hatte. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hätte. Von dem Augenblick an, als mir Peggotty verkündet hatte, Emily habe sich nach Manderley Manor aufgemacht, hatte ich geahnt, dass dies alles nicht gut enden würde. Nach meinem Treffen mit der einstigen Madame Snowhitepink in der Nationalgalerie war ich nach Hause geeilt und hatte eine aufgelöste und überaus schuldbewusste Peggotty vorgefunden.
    Ja, die Zeit tickte wahrlich.
    Ein ungutes Gefühl hatte mich von dem Moment an beschlichen, als mir Peggotty von dem übereilten Aufbruch Emilys berichtet hatte. Neil Trent war in den Raritätenladen zurückgekehrt, konnte jedoch kaum Licht in die Angelegenheit bringen oder wollte es nicht – am Telefon erwies er sich jedenfalls als sehr wortkarg. In Marylebone gab es demnach wenig zu tun. Ich schnappte mir hastig das Telefon und rief im Museum an, wo ich einen nicht minder aufgeregten Maurice Micklewhite zu sprechen bekam. Unruhen habe es gegeben, ob ich schon davon gehört habe. Nein, hatte ich nicht. Dafür berichtete ich ihm in wenigen Worten von meinem Treffen mit Mylady Lilith und davon, was mich hinauf nach Kensington treiben würde. Maurice Micklewhite nahm meine Pläne zur Kenntnis und versprach, ein Auge auf die St.-Paul’s-Kathedrale zu haben. Es wäre gut, wenn einer von uns anwesend wäre, sollte der Lichtlord aus der Laterne der Kathedrale herabsteigen.
    Nachdem ich all dies in hektischer Eile erledigt hatte, begab ich mich zum Regent’s Park, wo ich, wie bereits erwähnt, auf eine aufgelöste und hektisch schluchzende Emily Laing traf, die mir verkündete, dass jener mysteriöse Steerforth ihre Schwester entführt habe.
    »Ich habe ihn gesehen«, sagte mir Emily. »Mit Maras Augen.«
    Sie klang wirklich verzweifelt.
    »Mara hat geschrien!«
    Nach dem, was sie mir anschließend über ihre Schwester erzählte, sollte ich sagen: »Ich denke, sie ist stumm.«
    Ungeduldig beharrte Emily: »Sie hat in Bildern geschrien. Es war nur ein Gefühl, Wittgenstein. Meine Güte! Ich habe sie schreien gefühlt, nicht gehört.«
    Nun denn.
    Beginnen wir am Anfang.
    Mit dem, was Mylady Manderley ihrer Enkelin erzählt hatte.
    »Sie hat meinen Vater gehasst«, gestand mir Emily später.
    Um Mylady zu zitieren: »Ein unnützer Mensch ist er gewesen. Den Musen verfallen, wie ich es vorher noch nie erlebt habe. Ein Bohemien der schlimmsten Sorte. Nichtsnutzig und faul. Wenngleich meine Tochter dies bestritten hätte.«
    Mylady hatte Miss Anderson aufgetragen, die kleine Mara ins Bett zu bringen. Es sei schon spät, und das Gespräch, das Emily und sie sich zu führen anschickten, würde am besten nicht in Gegenwart des Kindes stattfinden. Man wüsste ja nicht, wie viel die Kleine verstand. So hatte sich Emily mit einem Kuss von ihrer Schwester verabschiedet und war im großen Salon verblieben.
    »Richard Swiveller kam, soweit mir bekannt ist, aus Lancashire nach London, um hier wie alle Nichtsnutze und Künstler sein Glück zu versuchen. Er verdrehte meiner Tochter den Kopf und machte ihr den Bauch dick.« Sie spie diese Worte förmlich aus.
    Erneut wurde Emily schmerzvoll bewusst, dass sie für die alte Frau auf immer ein Wechselbalg bleiben würde. Die Tochter eines nutzlosen Künstlers, der, wie sie sagte, Musik und Bücher geliebt hatte. Mia Manderley hatte sich von dieser Leidenschaft anstecken lassen, die schon vorher verborgen in ihr geschlummert haben mochte.
    »Sie sprach davon, Schriftstellerin werden zu wollen«, schimpfte Mylady Manderley. »Swiveller hatte ihr diese fixe Idee in den Kopf gesetzt. Er selbst wollte eine Oper komponieren, und Mia würde die Texte dazu schreiben. Einen Roman gedachte sie zu verfassen. Dann eine Chronik der Familie. Mal waren es Liedertexte, mal waren es Gedichte. Ach, sie war ja so

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