Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas
Lordkanzler dazu.
Als wir die Royal Albert Hall verlassen hatten, konnte Emily den Geruch der uralten Metropole wahrnehmen, wie sie es niemals vorher getan hatte. Wir scheuten uns davor, den Weg durch London zu wählen, weil wir weitere Golems dort oben befürchteten, die uns, aus welchem Grund auch immer, auflauerten. Also begaben wir uns direkt in die uralte Metropole. Nachdem wir der Pyramide entstiegen waren, entließ uns der Lordkanzler auf dem Weg, den Maurice Micklewhite damals gekommen war, als er uns über Knightsbridge hierher geführt hatte.
Wir betraten einen Ort, der allseits als The Ninth Knight’s Gate bekannt ist und der direkt unter der Konzerthalle beginnt und sich bis nach Kensington Gardens erstreckt. Es war dort, wo wir eine kurze Rast einlegten und einige Erfrischungen zu uns nahmen.
»Sie sind sicher hungrig«, mutmaßte ich.
»Oh, fragen Sie nicht.« Emily fand zu ihrem alten Humor zurück.
Gut so.
Die Welt ist zu ernst, um sie ohne ein Lächeln ertragen zu können.
Oder ohne Essen.
»Kinder sind doch immer hungrig«, sagte ich.
Und lotste die beiden in eine Schänke, die The Jekyll hieß und mit duftenden Blumen und Staudengewächsen voll gestopft war. Feine Gerüche, so dachte ich mir, würden dem Mädchen gut tun.
Es gab Kräutertee für alle und zusätzlich einen Bohnenkaffee aus den alten Kolonien für mich selbst. Dazu jeweils ein komplettes englisches Frühstück, bestehend aus Speck, Spiegelei, Pilzen, Wurst, Tomaten, Toastbrot und Blutwurst, das man zu jeder Tageszeit essen konnte.
»Ein seltsamer Name für eine Schänke«, stellte Emily fest.
»Wie in
Jekyll und Hyde
.«
»Wie Gertrude Jekyll, die berühmte Landschaftsgärtnerin«, verbesserte ich die Kinder.
Während die Mädchen aßen, sah ich mich um. Misstrauisch, wie es nun einmal meine Art ist.
Da The Ninth Knight’s Gate von jeher ein Sammelpunkt für Händler war, die die Knightsbridge zu überqueren gedenken und hinunter nach Chelsea und weiter zur Themse reisen, erfuhren wir hier eine Reihe Neuigkeiten. Weitere Unruhen hatten sich ereignet. In den Leadenhall-Tunneln hatte man einen Gildehändler, der Frachten für Manderley Manor gelöscht hatte, geteert und gefedert und anschließend den Asseln übergeben, die in den Schlackesümpfen nahe Houndsditch hausen. Wortführer des Pöbels war ein Angehöriger der Bootsmannsgilde aus Blackheath gewesen. In der Innenstadt Londons hatten sich vorweihnachtlich gesinnte Punks mit einer Gruppe kahlköpfiger Fans von Manchester United geprügelt. Zudem munkelte man, dass die Golemgestalten immer häufiger gesichtet würden. Es hatte Übergriffe in den nächtlichen Parks der Stadt gegeben.
Beunruhigt gedachte ich des vereinbarten Treffpunkts mit Maurice Micklewhite. Ihn zu kontaktieren war in unserer gegenwärtigen Situation undenkbar, da Telefonate in der uralten Metropole nicht möglich sind. Das mit der Zeit, hätte Miss Monflathers dieses technische Problem begründet, ist eben so eine Sache.
Unfähig, Kontakt zu dem Elfen aufzunehmen, überdachte ich unser aller Situation.
Und beobachtete die Kinder.
Emily klammerte sich an Aurora, die ihrer Freundin dabei behilflich war, zu gehen und zu essen. Selbst die einfachsten und alltäglichsten Bewegungen waren nun ungeübt, plump und unsicher. Emily war auf die Hilfe ihrer Freundin angewiesen. Würde auch später darauf angewiesen sein. Blieb nur zu hoffen, dass das Verhältnis der beiden Mädchen keinen ernst zu nehmenden Schaden erlitten hatte.
Nachdem die Kinder gesättigt waren und ich Emily auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin an einem der Stände eine dunkle Sonnenbrille erstanden hatte, machten wir uns auf den Weg zum Treffpunkt mit Maurice Micklewhite. Überquerten ein zweites Mal romantische Lyrik zitierend Knightsbridge, und es bleibt anzumerken, dass sich der Scharlachrote Ritter dieses Mal gnädiger zeigte, was die Anzahl der zu erkennenden Gedichte anging. Die Bresche, die das Schwert während unserer Überquerung von damals geschlagen hatte, klaffte noch immer über dem bodenlosen Abgrund, aus dessen Tiefe das Tosen der dunklen Hadesfluten erklang.
Düstere Erinnerungen beschlichen Emily beim Klang des Wassers. Aurora wirkte nicht minder beunruhigt. Emily, die sich in einer Welt der Geräusche bewegte, hörte das Knirschen, als der Ritter den Kopf neigte, um die Ankömmlinge besser sehen zu können. Das blinde Mädchen lauschte den Gedichten, die ich rezitierte, und der dunkel donnernden Stimme des
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