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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Mylady Manderley davon überzeugt, dass Lycidas zu schwach ist, um sich dem Nyx entgegenzustellen. Würde der Lichtlord besiegt, so entstünde ein neues Machtzentrum in der uralten Metropole.«
    »Mushroom Manor.«
    »Und es wäre dann wohl kaum von Nachteil«, fuhr ich fort, »wenn Lord Mushroom dem Hause Manderley gnädig gesinnt wäre.« Letzten Endes hielt sich das Haus am Regent’s Park also alle Optionen offen. Würden Manderley Manor und Master Lycidas im Kampf unterliegen, so könnte Manderley Manor dennoch aus der Asche Londons emporsteigen und im Licht des neuen Herrn der uralten Metropole erglänzen.
    »Sie opfert Mara«, flüsterte Emily, »um sich freizukaufen.«
    »Sie sagen es!«
    »Aber das kann doch nicht alles sein.« Emily weigerte sich zu glauben, dass die alte Frau nur diesen einen Beweggrund hatte.
    »Der eigentliche Grund«, ließ ich die Katze aus dem Sack, »ist ihre Tochter. Mia Manderley.«
    »Meine Mutter.«
    Nur ungern erinnerte sich Emily der Gestalt, die einem Tier ähnlich am Boden in der Dachkammer gekauert und sie wütend angefaucht hatte. Mitnichten hatte das Geschöpf, das einmal Mia Manderley gewesen war und sich in Richard Swiveller verliebt hatte, die eigene Tochter erkannt.
    »In den Mauern von Blackheath hat man Ihrer Mutter etwas angetan«, sagte ich.
    Traurig schwieg Emily.
    Rieb sich die Augen, wobei sie die dunkle Sonnenbrille kurz zur Seite schob.
    »Etwas, das sie wahnsinnig gemacht hat.«
    Mühsam sagte das Kind: »Ich verstehe noch immer nicht.«
    Nun denn.
    »Mylady Manderley will ihre Tochter zurückhaben. So einfach ist das. Lord Mushroom versprach ihr, seine einstige Gattin zu heilen.«
    »Wie?«
    »Fragen Sie nicht.«
    »Wie kann er jemanden heilen, den er böswillig in den Irrsinn getrieben hat?«
    »Emily«, sagte ich und ergriff ihre Hand. »Ich weiß es nicht. Aber das ist es, was mir Miss Anderson mitgeteilt hat. Lord Mushroom hatte dem Nyx seine Tochter versprochen. Mara. Er wusste, dass Mylady Manderley alles tun würde, um ihre Tochter den Klauen des Irrsinns zu entreißen. Also versprach er ihr die Heilung ihrer Tochter. Und sie überließ ihm das Kind.« Ich hielt kurz inne, bevor ich betonte: »Emily, Ihre Großmutter hat gewusst, dass Steerforth in ihr Haus eindringen würde. Wenn nicht er, dann jemand anderes im Auftrag Lord Mushrooms. Sie hat nichts dagegen unternommen.«
    »Aber sie war doch so verzweifelt«, erinnerte sich Emily.
    »Sie hat davon gewusst.« Die alte Frau verstand sich im Theatralischen. »Vielleicht hat sie im Nachhinein das schlechte Gewissen geplagt? Vielleicht bereute sie gar ihre Tat? Wer weiß das schon? Aber nichts davon ändert etwas an den Tatsachen. Sie hat zugelassen, dass man ihr Mara wegnimmt, und im Gegenzug verlangt, dass man ihr die geliebte Tochter wieder zurückgebe. Geistig gesund, wie sie einst war.«
    »Das ist doch krank!« Voll Abscheu spie Emily die Worte in die Dunkelheit, die sie umgab.
    »Ist es«, pflichtete ich ihr bei.
    Emily atmete tief durch.
    »Trinken Sie einen Tee«, riet ich ihr.
    Mièville beobachtete wachsam die anderen Gäste.
    Lauschte dem Gespräch.
    Schweigsam.
    Aurora rückte am Tisch neben ihre Freundin und legte ihr einen Arm um die Schulter.
    »Darum also hat mich Mylady Manderley nicht abgewiesen, als ich zum Regent’s Park gelaufen bin.« Mit einem Mal glaubte Emily zu verstehen, was sie die ganze Zeit über als Frage mit sich herumgetragen hatte. »Sie hat gewusst, dass jemand Mara holen würde.«
    »Ja.«
    »Dass sie einen Erben brauchen würde. Für den Fall, dass Manderley Manor siegreich wäre.« Tränen füllten die toten Augen des Mädchens, und der Mondstein hinter der dunklen Brille glänzte feucht im fahlen Licht der Kerzen auf dem Tisch. »Deswegen hat sie mir alles erzählt.« Emily tastete nach der Hand ihrer Freundin. »Deswegen hat sie mir meine Mutter gezeigt.« Wie schrecklich, dachte Emily, ist Wissen, wenn es dem Wissenden keinen Gewinn bringt. »Damit ich es verstehen würde.« Sie begann zu weinen. »Nicht wahr, Wittgenstein?«
    Ich antwortete nicht.
    »Damit ich verstehen würde, weswegen sie Mara hatte fortgeben müssen.«
    Die Welt drehte sich.
    Emily schloss die Augen. Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte. Nachtschwärze war allerorten. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie krümmte sich in Auroras Umarmung. Dabei hätte die Erkenntnis, dass alle nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren, eigentlich nichts Neues sein sollen. Alle hatten die

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