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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Hände gelegt habe, nach eigenem Gutdünken.« Sie erhob sich. »Und nun geht.« Sie geleitete mich zur Tür und sagte zum Abschied: »Wir haben niemals miteinander gesprochen.«
    Ein kurzes Nicken meinerseits.
    »Niemals«, bestätigte ich.
    Dann schloss sich das Portal hinter mir.
    Ich stand im verschneiten Regent’s Park, und vor mir erstreckte sich die Silhouette der Stadt. London, hinter einem Schleier aus wirbelnden Schneeflocken. Abertausende von Lichtern, die den Nachthimmel erhellten. Ich schlug den Kragen meines Mantels hoch und zog mir die neue Mütze bis über die Ohren. Dann schlang ich mir den langen Schal um den Hals, vergrub die Hände in den Taschen und stapfte los.
    Was sollte ich mit dem eben erlangten Wissen anfangen?
    Wem war noch zu trauen in diesem Spiel?
    Miss Anderson sorgte sich um die kleine Mara. Das jedenfalls war mir klar geworden. Hinter dem maskenhaften Gesicht schlug ein gutes Herz. Immerhin. All die anderen Gesichter kamen mir mit einem Mal viel maskenhafter vor als dasjenige der Hausdame von Manderley Manor. Maurice Micklewhite und Miss Monflathers. Master Lycidas. Mr. Fox und Mr. Wolf. Welche Beweggründe waren es, die sie alle antrieben? Spielte das Glück des Mädchens irgendeine Rolle in ihren Überlegungen?
    Ich gedachte der Lektionen Mylady Hampsteads.
    Es gibt keine Zufälle
, war sie niemals müde geworden zu betonen.
    Die alte Rättin!
    Sie hatte mich einst vor den Black Friars gewarnt. Vor dem alten Orden und der Regentin.
    Jetzt war es an mir, das Erbe Mylady Hampsteads weiterzutragen.
    Es oblag mir, Emily Laing vor dem zu warnen, was ihr unweigerlich bevorstand.
    Sie war meine Schutzbefohlene.
    Und ich traf sie dort, wo ich sie hatte treffen wollen.
    In Chuzzlewitt’s Taverne in King’s Moan.
    Wo sie gemeinsam mit Aurora Fitzrovia und Mièville an einem der hintersten Tische saß.
    »Wittgenstein!«, rief sie erfreut aus, nachdem ich mich zu erkennen gegeben hatte.
    Mièville nickte zur Begrüßung.
    Dann berichtete mir Emily ganz außer Atem vom Angriff der Rattlinge in dem städtischen Versorgungstunnel.
    Mièville war gerade zur rechten Zeit dort aufgetaucht.
    »Der Alchemist schickt mich«, hatte er den Kindern offenbart. »Seitdem Ihr das Museum verlassen habt, hafte ich an Euren Fersen.« Mit einem Blick auf die brennenden Rattlinge hatte er hinzugefügt: »Ein Glück, nicht wahr?« Dann hatte er ihnen berichtet, eine Botschaft erhalten zu haben. Ein Irrlicht habe sie ihm übermittelt, und als er es erwähnte, fiel Emily auf, dass Dinsdale verschwunden gewesen war, nachdem sie alle St. Paul’s verlassen hatten. Erst später war er in der Nationalbibliothek wieder aufgetaucht. Mièville war den Weisungen des Irrlichts gefolgt und hatte sich vor dem Museum auf die Lauer gelegt. »Mein Glück«, hatte er den Kindern berichtet, »denn Hidden Holborn wurde von Golemkriegern verwüstet.« Das hagere Gesicht hatte mehr als nur unglücklich gewirkt. »Der Gateman von Hyde Park Corner flüsterte mir die Neuigkeit.«
    So erfuhren die Mädchen, dass Holborn zu den Ländereien Manderley Manors gehörte.
    »Überall in der uralten Metropole kommt es zu Übergriffen«, erklärte ihnen der Tunnelstreicher. »Ravenscourt hat jeglichen Handel untersagt. Der Earl hat sein Gebiet bisher noch fest im Griff. Die Raben vom Court haben alle Handelswege und Zugangstunnel verschlossen und harren der Dinge, die da kommen werden. Kensington, so sagt man, hat alle Wolfsrudel in Bereitschaft versetzt. Der Lordkanzler ist auf den Friedhöfen Londons gesichtet worden, wo er eine Armee zusammenstellt, die die uralte Metropole schützen soll.«
    »Er lässt die Toten für sich kämpfen?« Aurora hatte geschluckt.
    Mièvilles Antwort war kurz gewesen: »Er ist Anubis.«
    Vom Norden drangen die Söldner Mushroom Manors nach London vor. Dem Abgrund in der Region entströmten Rattlinge und Golemkrieger gleichermaßen und ergossen sich zu hunderten in die Tunnel und Schächte der uralten Metropole. Der Senat hatte die Garde entsandt, doch was würde sie schon ausrichten können gegen die Übermacht der Lehmkrieger?
    »London wird brennen«, prophezeite Mièville.
    Die Rattlinge jedenfalls brannten lichterloh. Der Tunnelstreicher hatte mehrere Feuerflaschen, wie die Streicher die improvisierten Brandbomben nannten, auf das Meer der anstürmenden Kreaturen geworfen. Ansonsten wäre es um die Kinder geschehen gewesen.
    »Rattlinge«, hatte er ihnen auf dem Weg nach King’s Moan erklärt, »verwandeln

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