Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Schlamm des Themse-Ufers steckte im Körper des Wesens. Blechdosen, Glassplitter, Stücke toter Tiere, fauliges Treibholz. Blutige Hautfetzen klebten am Lehm und einige andere Dinge, von denen Neil gar nicht wissen wollte, was sie waren, steckten im Rumpf des Wesens.
    Überhaupt fragte sich Neil, ob die Gestalt lebte. Wie ein Fels stand sie da und machte keinerlei Anstalten, sich zu regen. Trotzdem wagte es Neil nicht, sein Glück herauszufordern und das Versteck zu verlassen.
    Was sich bezahlt machte.
    Denn ein anderer tat dies für ihn.
    Neil fragte sich, wie lange der Mann wohl schon dort ausgeharrt hatte. Dort, wo der Junge den Korridor von The Deep betreten hatte, bewegte sich mit einem Mal jemand. Ein Mann in zerlumpter Kleidung und einer Fliegermütze, deren Ohrenschutz seltsam beschwingt wippte, als der Mann die Flucht nach vorne antrat. Hinter einer Müllhalde sprang er hervor und rannte so schnell wie möglich auf den Ausgang zu. Neil würde niemals erfahren, ob der andere den Golem übersehen oder sich Chancen ausgerechnet hatte, schneller als die Lehmkreatur zu laufen. Letzteres betreffend wurde er schnell eines Besseren belehrt, denn der Golem war flink. Unglaublich schnell sogar für ein Wesen seiner Größe und Statur.
    Ohne erkennbare Vorwarnung erwachte der Golem zum Leben und stakste mit ausladenden Schritten in Richtung des Flüchtigen. Warf diesen mit all dem Gewicht seines Lehmkörpers zu Boden. Nur Sekundenbruchteile dauerte es, bis die gellenden Schreie des Mannes den Tunnel erfüllten.
    Die Neonlampen tauchten die Szenerie in ein gespenstisches Licht.
    Und Neil fasste sich ein Herz.
    Sprang auf.
    Rannte.
    Er schaute nicht zurück, und so waren es nur die panischen Schreie des Mannes, die erahnen ließen, was der Golem ihm antat. Was immer es war, der Mann lebte noch. Neil rannte in den einzigen Tunnel, der sich vor ihm auftat, und hoffte, dass der Golem mit dem armen Mann beschäftigt war. Nahezu blind vor Angst irrte der Junge durch das Tunnelsystem, in das er da hineingeraten war. Lief immer weiter. Bis er schließlich innehalten musste, weil er zu erschöpft war, um weiterzulaufen.
    Er ging japsend in die Hocke.
    Und spürte den Luftzug an seinem Gesicht.
    Pechfackeln brannten in großen Abständen in gusseisernen Haltern, die jemand in das Felsgestein gebohrt hatte. Zaghaft flackerten die Leuchtfeuer in dem eisigen Luftzug. War das die Lösung? Emily hatte von der Hölle berichtet, die ein Eispalast war. Kam die Luft von dort unten? Konnte es so einfach sein? Neil beschloss, dass es so einfach war, und rappelte sich auf.
    Kurz darauf erreichte er die Höhle, in der Nehallanias Leichnam ruhte.
    Alle Wege in diesem Labyrinth führten zu Nehallania. Unterwegs hatte er Gemälde an den Wänden gesehen. Primitive Bilder, die ein Wesen mit spitzen Zähnen und langen Gliedmaßen zeigten, dem die Menschen Opfergaben darbrachten. Dies hier waren die heiligen Hallen von The Deep. Ein sakraler Ort, an dem die Flussmenschen zusammengekommen waren, um ihrer Göttin zu huldigen.
    Neil sah sich die toten Rattlinge und die Überreste der Golemkrieger an.
    Inmitten des Bluts, das an manchen Stellen am Boden angetrocknet war, erkannte er Fußabdrücke. Einige davon waren kleiner als andere. Natürlich war Neil Trent kein Fährtenleser, doch hielt er es für möglich, wenn nicht gar für wahrscheinlich, dass dies Abdrücke waren, die die Schuhe der beiden Mädchen hinterlassen hatten. Also hatten sie diesen Ort passiert.
    Gerade wollte er sich über diese Feststellung freuen, als ihn schon eine neue Frage bestürmte: Was würde er zu Aurora sagen, wenn er ihr gegenüberstand? Meine Güte, eigentlich kannten sie sich doch kaum!
    Es war dieser Gedanke, der ihn kurz verzagen ließ.
    Der ihm die Knie schlottern machte.
    Der ihn aber schließlich auch an Nehallania vorbeigehen und in den Tunnel dahinter eintreten ließ. Dass Mädchen ebenso fürchtenswert sind wie manche Kreaturen, die in den Schatten lauern, war ihm noch niemals zuvor so bewusst gewesen. Was bedeutete schon eine tote Göttin, wenn man nach allen überstandenen Gefahren dem Mädchen, das man mochte, in die Augen sehen und etwas sagen musste?
    Neil verdrängte den Gedanken vorerst.
    Geschwind schlängelte er sich an Nehallania vorbei und betrat die Höhle dahinter. Der einzige Weg, der ihm blieb. Jetzt galt es, keine Zeit mehr zu verlieren. Dem Strahl der Taschenlampe folgend gelangte er zu dem Schacht, den er hinabkletterte, wobei er schon aus der

Weitere Kostenlose Bücher