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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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auch die Stürme herzlos sind, muss blasen ich und treiben. Dass auf mein Weh’n zusammenfind’, was sonst müsst einsam bleiben.« Er beäugte uns, und auf den Gesichtern spürten wir seine Berührung.
    »Er ist sehr lyrisch«, bemerkte Pilatus Pickwick mit einem Lächeln. »Und für ein Höllenelement wirklich umgänglich.«
    »Hört, hört«, prustete der Wüstenwind und wehte uns um die Füße. »Pilatus habe ich in die entferntesten Regionen der Hölle getragen, wie seinerzeit den Lichtlord Ra. Doch hat er nicht gefunden, wonach er suchte.« Sandkörner stoben dort, wo der Wüstenwind den Boden berührte, auf. »Aber die Hölle ist weit – und liegen nicht noch Tage vor uns?«
    Pilatus Pickwick sah traurig aus.
    »Wen suchen Sie?«
    »Das«, gab er uns zur Antwort, »ist eine lange Geschichte.«
    »Kommen Sie«, lenkte ich von Pickwicks Pein ab.
    Eliza stimmte mir zu.
    Pilatus Pickwick trat zur Seite.
    Deutete auf den Teppich mit orientalischem Muster, auf dem wir standen.
    »Setzten Sie sich besser«, schlug er vor.
    Adam, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte, murmelte: »Das ist nicht sein Ernst, oder?« Er setzte sich neben das Mädchen auf den Teppich und schlug die Beine über Kreuz. Die verwaschene Jeans, die er trug, wirkte in diesem Umfeld seltsam fehl am Platze. »Wir werden fliegen?« Er konnte es kaum glauben. »Als Kind habe ich immer davon geträumt, zu fliegen.«
    Emily ergriff seine Hand.
    Eliza fragte: »Seid Ihr jemals so jung gewesen, dass Ihr zu fliegen geträumt habt, Wittgenstein?«
    Was sollte die Frage?
    »Ich träumte meistens davon, zu fallen«, murmelte ich.
    Dann fuhr der Wüstenwind unter den Teppich.
    Hob uns hinauf in die Lüfte.
    Emily stieß einen kurzen Schrei aus, als wir über die Mauer hinfortwehten und unter uns eine gähnende Tiefe aufflammte, in der eine Schlacht tobte, die hoffentlich ein gutes Ende finden würde. Einige fliegende Nekir surrten mit ihren Insektenflügeln so dicht an uns vorbei, dass der Wüstenwind den Teppich flink an den bösartigen Höllenwesen vorbeimanövrieren musste.
    »Wissen diese Viecher, dass wir auf ihrer Seite stehen?«, wollte Adam wissen und sah besorgt den sich in der Tiefe verlierenden Nekir nach.
    »Ich würde mich nicht darauf verlassen«, antwortete ich.
    Adam schaute erneut nervös nach unten, wo jetzt hohe Dünen und glitzernde Felsenwüsten vorbeiflogen. Missgestaltete Karawanenwesen zogen durch die Wüstenei, insektenhafte Kreaturen und Sandläufer hoben ihre Köpfe, und neugierige Fassettenaugen blinzelten dem fliegenden Teppich hinterher.
    Es gab Leben dort unten.
    »Was passiert, wenn wir vom Teppich fallen?«
    Ich warf dem jungen Musiker einen entnervten Blick zu.
    »Fragen Sie nicht andauernd!«, fuhr ich ihn an.
    Worauf er Emily zuflüsterte: »Ich bin hier wohl nicht der Einzige, dessen Nerven angespannt sind.«
    Adam warf mir einen verstohlenen Blick zu.
    Worauf ich bemerkte: »Ich habe gute Ohren.«
    »Ich wollte nicht unfreundlich sein«, entschuldigte sich der Junge.
    »Wir sind in der Hölle.« Vielleicht sollte ich ihm doch eine Antwort auf die vorhin gestellte Frage geben? »Fallen Sie einfach nicht vom Teppich herunter.«
    »Ja, danke für den Tipp.«
    Dann hielt er den Mund.
    Vorerst jedenfalls.
    Dann, nach einer Weile, musste Emily mit einem Mal lächeln.
    Ganz still.
    »Was hast du?«, fragte Adam.
    »Du summst.«
    Er starrte sie verdutzt an.
    »Mr. Tambourine Man.«
    Eliza warf mir einen wissenden Blick zu.
    »Ich bin eben noch nie auf einem Teppich geflogen«, gab er zu.
    »Einmal ist immer das erste Mal«, sagte ich.
    Und schaute nach vorn.
    Wo wir uns einem Gebirge näherten, in dessen zerklüfteten Felsspalten und Tälern schattenhafte Wesen wuselten, die mit Fühlern und Tentakeln ihrem gierigen Tagewerk nachgingen.
    »Wie werden wir die Maske der Lilith finden?«, fragte Emily.
    Es war der Wüstenwind, der ihr antwortete. Der ihr klar machte, weshalb ausgerechnet sie an diesen Ort hatte kommen müssen.
    »Ihr müsst singen«, heulte der Wüstenwind.
    Emily wirkte verwirrt.
    Singen?
    »Ich kann nicht singen«, gab sie zu bedenken.
    »Ihr werdet es sehen, wenn wir dort sind«, beruhigte sie der Wüstenwind, der uns über das Gebirge trug, wo sich Schlünde öffneten, die weiter in die Tiefe führten, wo Eiszapfen aus der Dunkelheit lugten und schlängelnde Wesen sich paarten. »Dort unten befindet sich der Limbus«, erklärte der Wüstenwind. »Der Lichtlord Ra hat ihn geöffnet und die Kinder

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