Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith
Reiter näherte. Der junge Prinz musste sich eingestehen, dass diese Stadt derjenigen aus den alten Sagen alle Ehre zu machen schien. Ghulchissar, die Heimat der Ghule, wo sie auf ihren faltigen Schwingen durch die Dunkelheit glitten, um Kinder zu stehlen.
Eine krumme Gestalt in einem schwarzen Kaftan blieb inmitten der Gasse vor den Reitern stehen. Ihre leblosen Augen lagen in tiefen Höhlen. Die fauligen Zähne, die die Kreatur entblößte, als sie die Worte der Begrüßung an die Fremden richtete, beherrschten das ausgemergelte Gesicht.
Willkommen heiße ich Euch in diesen alten Mauern
, zischte die Gestalt, und Vathek erkannte, dass dem Mann das greise Haare büschelweise auszufallen schien.
Folgt mir. Die Herrin erwartet Euch.
Dem Mann folgend, erreichten die drei Gefährten den Palast. Sie sahen hohe Säulen, geschlagen aus schwarzem, glänzendem Stein. Traten in einen großen Saal, wo die Herrin wartete.
Vathek und seine Begleiter sahen sich einer großen dunkelhäutigen Frau von anmutiger Statur gegenüber. Ihr langes Haar, das zu leben schien, reichte fast bis zur Erde. Sie trug ein tiefrotes Gewand, welches nur ihre nackten Füße erkennen ließ. Augen, so schwarz und schimmernd wie der Stein, aus dem der Palast geschlagen worden war, musterten die Gefährten.
Selten verirren sich Gäste in diese Mauern
, hauchte eine sinnliche, tiefe Stimme.
So heiße ich Euch willkommen, Fremde. Tretet näher, und hinterlasst ein wenig von jenem Glück, welches Euch begleitet. Ich bin Carathis.
Langsam schritt sie auf die Gefährten zu, die sich ihr vorstellten.
Al-Vathek
, surrte sie und benetzte die Lippen mit der Zunge, die schnell wie die Zunge einer Eidechse vorschnellte. Die betörende wilde Schönheit der Herrin verzauberte Vathek auf der Stelle. Die Schönheit Nefer-titis war das Sonnenlicht des Tages, doch Carathis’ Anmut glich dem kühlen Hauch der Wüstennacht.
Seid mein Gast.
Keiner der Reisenden konnte jedoch eine Tafel erkennen. Auch an Dienerschaft schien es der Herrin zu mangeln. Carathis ergriff die Hand Vatheks. Ihre Augen lähmten den jungen Mann wie die Kobra die hilflose Maus. Fantasien bemächtigten sich Vatheks, ließen ihn zitternd in die Knie gehen, während das Verlangen seines Körpers den Verstand zerfetzte. Er konnte die Gedanken der Herrin in seinem Kopf wispern hören, und die Welt um ihn herum schien zu verschwinden. Er hörte nicht die warnenden Schreie seiner Gefährten Ahmad und Yakud, die sich der durch das Tor in den Palast hineinströmenden Flut hungriger bleicher Kreaturen erwehren wollten, verzweifelt die Schwerter zückten, bereit ihren Freund und sich selbst zu verteidigen.
Als Vathek nach einer Ewigkeit wieder zu sich kam, da fand er sich mit zerfetzten Kleidern zitternd am Boden liegend wieder. Der Palast war verlassen, und das Licht des Tages schien hell in den Saal hinein. Dann erblickte Vathek die Leichname seiner Gefährten. Das Fleisch war von ihren Knochen gerissen. Leere Augenhöhlen starrten dem jungen Prinzen entgegen. Entsetzt begann Vathek zu klagen. Seine verzweifelten Schreie hallten durch die Mauern der dunklen Stadt, und bittere Tränen strömten über sein bleiches Gesicht. Geschwächt kroch er auf allen vieren aus dem Palast und blieb erschöpft im gleißenden Licht der Mittagssonne, die hoch am Himmel stand, liegen und verlor das Bewusstsein.
Der Abend dämmerte bereits, als Vathek wieder erwachte. Trunken vor Angst kroch er in Richtung des Stadttores. Von den bleichen Kreaturen, den Einwohnern dieser Stadt, war nichts zu sehen. Sie schienen das Licht des Tages zu meiden, genau wie auch ihre Herrin Carathis. Vatheks Blut geriet selbst in diesem Augenblick in Wallung, wenn er an sie dachte. Seinen Körper dürstete es nach Wasser, und sein Verstand befahl ihm, die Stadt noch vor Sonnenuntergang zu verlassen. Es wäre ein leichteres Schicksal, in der Wüste zu sterben, als noch einmal von diesen Kreaturen heimgesucht zu werden. So kroch er immer weiter, halb verrückt vor Angst, die erschöpften Augen zum Himmel und auf die untergehende Sonne gerichtet. Er spürte, wie der Wüstensand seine Handflächen verbrannte, zwischen seinen Fingern hindurchrieselte, seine Knie aufscheuerte, und doch gab er nicht auf.
Hier machte al-Bekr eine Pause, rieb sich langsam die müden Augen und stopfte seine Pfeife aufs Neue.
»Und dann?«, fragte ich gespannt.
»Die Nacht ist noch lang«, antwortete al-Bekr. In aller Ruhe zündete er die Pfeife an und nahm einen tiefen
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