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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ausgebreitet. Sie atmete flach. Blut rann ihr aus dem Mundwinkel.
    »Sie lebt noch.«
    Aurora packte sie an der Schulter, schüttelte sie sanft, flüsterte: »Eliza!«
    Die Lider flatterten.
    Finger regten sich.
    Ringe klimperten.
    »Eliza, wir sind hier.«
    Die Angesprochene öffnete langsam die Augen. »Wir haben einfach kein Glück, was?«
    Dann flutete grelles Licht die Stelle, an der sie sich befanden, und alle drei mussten instinktiv die Augen zusammenkneifen. Der Teppich war El-Khamsin aus den unsichtbaren Händen gerissen worden und fiel weit abseits in den Schnee einer Düne.
    Als sich die Augen an das Licht gewöhnt hatten, da erkannten sie, was oben am Firmament vor sich ging.
    »Derartiges«, flüsterte Eliza, »hat seit langer Zeit niemand mehr gesehen.«
    Denn es war ein Kampf, aus dem keiner der Engel siegreich hervorgehen würde.
    Sariel und die drei Mala’ak ha-Mawet waren ein Knäuel aus Leibern geworden, das sich nur in der Luft hielt, weil Flügelpaare hektisch flatterten und diese Bewegungen ausreichten, um alle Körper zu tragen. Die Schwerter der Gabrielskrieger bohrten sich in die Seite Sariels, der laut aufschrie und mit seinen Klauen einem der Mala’ak ha-Mawet das Augenlicht nahm. Ein anderer Mala’ak ha-Mawet grub seine Zähne in eine der Schwingen Sariels und riss große Stücke heraus. Federn stoben auf und fielen langsam zu Boden. Wind schleuderte die einander langsam zerfleischenden Engel hin und her, und Aurora begriff, dass der Wüstenwind den Versuch wagte, in den Kampf einzugreifen.
    »Sariel wird das Tor öffnen«, keuchte Eliza, die sich behutsam aufsetzte. Sie hielt sich den Kopf und verzog das Gesicht. Eine langer, tiefer Kratzer lief an ihrem Hals entlang. »Ich flehe das Schicksal an, dass es nicht nur eine alte Geschichte war, die er uns erzählt hat.« Die hellen Augen waren voller Furcht, und Aurora fragte sich, was Eliza damals in Zmargad hatte mit ansehen müssen.
    Neil reichte ihr eine Hand.
    Eliza griff zu, und er zog sie auf die Beine. »Wir sollten hier verschwinden.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sinnlos. Sie werden uns finden.«
    »In Zmargad bist du ihnen auch entkommen.«
    »Glück«, keuchte sie nur. »Seltenes, im Sand zerronnenes Glück.«
    So standen sie knietief im Schnee.
    Drei Gefährten, die sich in der Wüstenei der Hölle verloren hatten.
    Und hoch über ihnen kämpften die zornigen Engel, wie sie es vor langer Zeit schon einmal getan hatten. Verbissen und bar jeden Mitleids. Und dann, blitzschnell, entflammte der Himmel der Hölle, und es wurde Licht, und die Mala’ak ha-Mawet erfuhren, dass manche Engel freiwillig ihr Leben aufzugeben bereit waren.
    Aurora, Neil und Eliza schirmten die zugekniffenen Augen mit den Händen ab, und der wehende Wüstenwind entfernte sich von den Flammen, wirbelte zum Teppich hinüber und hob ihn wieder auf.
    »Er hat es wirklich getan«, wunderte sich Neil.
    Sariel, der, wie er es ihnen prophezeit hatte, zu einem lodernden Feuer geworden war, nahm die Mala’ak ha-Mawet mit in den Tod.
    »Das ist es, was er gemeint hat«, sagte Eliza.
    El-Khamsin war zur Stelle.
    Windig.
    Wie immer.
    »Lasst uns fliegen, Liliza.«
    »Aber wohin?« Die Frage musste Aurora gestattet sein.
    Eliza aber gab ihr keine Antwort, sondern starrte in die Flammen, in denen vier Engel, die einst gewissermaßen Brüder gewesen waren, zu Asche zerfielen und das, was sie einst verkörpert hatten, auf ewig mit sich nahmen.
    »Etwas stimmt nicht.«
    Aurora erkannte es auch. »Sie sinken nicht zu Boden.«
    Die Flamme brannte in der Luft, und keiner der zuckenden Körper sank zur Erde.
    »Da!«
    Die Flammen formten ein Portal aus Gesichtern, deren Münder wilde Weisen wisperten im Feuer, das sie verzehrte. Dann verschmolzen die Gesichter zu einem einzigen, das wie eine Sonne über den am Boden Stehenden aufragte. Der Mund des Feuergesichts öffnete sich, und es war eine Melodie, welche die Flammen knisterten.
    Somewhere over the rainbow.
    Aus dem großen Feuermund schossen Flammenzungen heraus und schlängelten Worte in die Luft, die jetzt voller schmelzender Schneeflocken war, die am Ende wie Tränen aussahen, die kleine Löcher in den Schnee am Boden brannten.
    »Lasst uns fliegen!« El-Khamsin breitete den Teppich vor Eliza aus.
    »Du hast Recht.« Unsicheren Schrittes betrat sie den Teppich.
    Drehte sich zu Aurora und Neil um.
    »Kommt ihr mit mir?« Es war eine wirkliche Frage.
    Aufrichtig.
    Unsicher.
    Zögerlich.
    Dann streckte sie die Hand aus.

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