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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Unfreundliches sagen konnte, packte sie etwas im Gesicht und zog sie aus den schützenden Schatten. Es war kräftig und schnell wie der kalte Hauch des Windes.
    »Emily!«, hörte sie Tristan Marlowe laut aufschreien.
    Sie spürte einen Aufprall.
    Es tat weh.
    Ja, sie lag jetzt in der Gasse, und was immer sie im Gesicht gepackt hatte, war nun verschwunden.
    Langsam nur erhob sie sich und sah die beiden Männer in den langen grauen Mänteln. Breite Hüte trugen sie, unter deren Krempen sich die hageren Gesichter verbargen. Lederne Handschuhe trugen die Männer, und für einen kurzen Moment hoffte Emily, die beiden seien Mr. Fox und Mr. Wolf, doch die waren es nicht. Es waren fremde Männer.
    »Polizisten!« Das war Tristan, der plötzlich neben ihr auf dem Boden kniete und ihr auf die Beine half.
    »Etwas hat mich gepackt«, stammelte Emily.
    »Ein Spuk.«
    »Sie haben ihn gesehen?«
    »Einen Schemen nur.«
    Da bemerkte Emily das Ding, das fast unsichtbar war und im fahlen Laternenlicht flimmernd durch die schmale Gasse schoss. Der Spuk sprang Marlowe an, und Emily ahnte die unsichtbaren Klauen, die den jungen Alchemisten an den Haaren packten und von ihr wegzogen. Tristan schrie erschrocken auf und schlug mit beiden Händen um sich, wobei sein Gehstock scheppernd zu Boden fiel.
    Die beiden Männer, die wohl Polizisten waren, riefen ihnen etwas zu, das Emily nicht verstand.
    »Tristan!«, rief Emily und lief zu ihm hin.
    Mühsam rappelte er sich auf.
    Schlug immer noch in die Luft über seinem Kopf.
    »Ich sehe ihn nicht mehr.«
    Der Junge schaute die Gasse hinab.
    Zu den Polizisten.
    »Die sind ja auch noch da«, grummelte er.
    Emily bemerkte, dass sich die Situation nicht ganz so entwickelte, wie sie es sollte.
    Die Polizisten hatten jetzt Verdacht geschöpft und kamen näher. Einer von beiden musste Emily wohl zugehört haben, denn er versuchte nun, sie in einem holprigen Englisch anzusprechen.
    »Bleiben Sie beide, wo Sie sind!«, rief der Polizist ihnen zu.
    »Toll!«, schimpfte Emily.
    Auch das noch!
    Der Spuk prallte mit aller Wucht erneut gegen sie und warf sie nach hinten.
    Aus den Augenwinkeln heraus sah Emily, dass Tristan Marlowe etwas in seiner Manteltasche suchte. Einen Beutel mit einem Pulver, den er mit einer schnellen Handbewegung öffnete und hoch in die Luft warf. Das Flimmern in der kalten Luft, das ein Spuk war, verwehte so schnell, als sei es gar nicht erst da gewesen.
    Alchemisten, dachte Emily.
    »Bleiben Sie stehen!«, rief der Polizist.
    Tristan Marlowe hob den Blick, und Emily sah, dass beide Polizisten jetzt Waffen in den Händen hielten, große Pistolen, altmodisch und schwer. Die Mündungen waren auf Emily und Tristan gerichtet, und die Polizisten, deren Gesichter jetzt, da sie langsam näher kamen, sichtbar wurden in den Schatten, schienen es ernst zu meinen.
    Sie würden schießen, wenn es sein musste.
    »Tristan?«
    Der junge Alchemist war bei ihr, noch bevor sie eine Frage hätte formulieren können.
    Sie bemerkte, dass er etwas in den Händen hielt.
    Einen weiteren Beutel, kaum größer als ein kleiner Stein.
    »Wir können uns ausweisen«, rief er den Polizisten zu.
    Die beiden Graumäntel kamen vorsichtig näher.
    Wie Polizisten, fand Emily, sahen die beiden nicht unbedingt aus. Eher wie Geheimpolizisten.
    »Sie wollen uns nicht verhaften.« Emily erkannte es in ihren Augen. Kalt und böse waren sie.
    Berechnend.
    »Ich weiß«, murmelte Tristan nur.
    Das, was dann passierte, geschah so schnell, dass Emily sich später kaum noch daran erinnern konnte, in welcher Reihenfolge die Dinge denn geschehen waren.
    Ein Schuss löste sich, und das Mädchen sah, wie der junge Alchemist sich um die eigene Achse drehte, weil ihn etwas getroffen hatte. Keine Magie und auch kein Zauber. Nein, eine Kugel aus einer alten Pistole, deren Mündung noch ganz hämisch rauchte.
    »Tristan« kreischte Emily.
    Und tat, was ihrer Natur entsprach.
    Mühelos fand sie den Weg in den Verstand des Polizisten, der den Schuss abgefeuert hatte.
    Wie lange war es her, seit sie Derartiges zum letzten Mal getan hatte? Nie wieder hatte sie es tun wollen, das hatte sie sich damals geschworen, als sie sich gegen den Restefresser nahe der Blackfriars Station gewehrt hatte. Jedes Mal schwor sie aufs Neue, es nie wieder zu tun. Doch passierte es ihr wieder und immer wieder.
    Wie jetzt.
    Wenn man sie bedrängte, dann tat sie es.
    Einfach so.
    Ohne viel Mühe.
    Sprang in den fremden Verstand, der wie ein fremdes Haus war, und

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