Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
würde das jemanden interessieren.«
    »Wir können ihnen sagen, was geschehen ist«, schlug Emily vor.
    »Ach ja?«, nuschelte Marlowe verächtlich.
    »Ja!«
    »Wem wollen Sie das sagen?«
    »Der Polizei.«
    Tristan Marlowe warf dem Mädchen einen äußerst entnervten Blick zu. »Der Polizei wollen Sie weismachen, dass dieser Mann aus dem Fenster gestürzt ist, weil sich ein Spuk in sein Gesicht gekrallt hat? Das wollen Sie sagen, allen Ernstes? Und dass wir ganz zufällig des Weges kamen?«
    »Aber so ist es doch gewesen.«
    »Und wer, denken Sie, wird uns das glauben?« Er spähte in die Gasse hinein.
    Ich sagte: »Prag ist nicht London.«
    »Das weiß ich.« Emily ärgerte sich, weil sie sich trotzig anhörte. Sie wollte nicht, dass Tristan Marlowe bemerkte, wie sehr sie sich über ihn ärgerte. Und doch vermochte sie nicht zu verbergen, dass es so war. »Haben Sie etwa einen besseren Vorschlag zu machen?«
    Ich machte dem Gerede ein Ende, indem ich sagte: »Wir werden von hier verschwinden. Marlowe hat Recht. Die Polizei wird keine Hilfe sein. Nicht hier. Nicht für uns. Wir sind fremd in der Stadt, das ist nicht gut. Das war es noch nie.«
    Über uns wurden immer mehr Fenster aufgerissen, und Stimmengewirr durchzog die Nacht. »Irgendwer wird uns gesehen haben«, gab ich zu bedenken. »Das macht die Sache kompliziert genug.«
    Emily starrte auf den toten Mann am Boden. Schneller, als es ihr lieb war, dachte sie an ihre Mutter. An Moorgate Asylum. An den Grund, weswegen sie hier war.
    Die Geräusche schwollen an.
    Laute Rufe kamen von überall her.
    Irgendwo wurden Türen aufgerissen, und Schritte klapperten laut über das Pflaster.
    »Kommt schon!«
    Tristan Marlowe hatte Recht.
    Die Zeit lief uns davon.
    »Mir nach!« Fast war es, als sei ich nie aus Prag fort gewesen. Ich führte die beiden durch ein Gewirr aus Gassen, Straßen, Plätzen und Höfen. Die Altstadt war ein Labyrinth, und die Stimmen, die jetzt von überall her erklangen, wurden lauter und lauter.
    Der Mob war mobilisiert.
    »Sie kommen näher.«
    Die Polizei war uns auf den Fersen. Wir hörten Sirenen. Trillerpfeifen, wie sie die Metropolitan in London auch benutzte. In der Nähe des Pulverturms waren wir, irgendwo in den Eingeweiden der Altstadt. Hinter uns in der Gasse ertönten laute Schritte und aufgeregte Stimmen. Vor uns ebenso.
    »Sie jagen uns«, stellte Emily fest, und so beunruhigend diese Feststellung auch war, so wenig konnten wir leugnen, dass genau dies geschah. Polizei und Bevölkerung waren alarmiert, und vermutlich sprach es sich bereits herum, dass Fremde den Besitzer des »Grünen Gesichts« getötet hatten. Das war die Art, wie die Dinge in Prag geregelt wurden. Die Polizei war schnell bei der Sache, und wenn Schuldige gefunden wurden, dann schrieben die Zeitungen darüber, und alle fühlten sich wieder sicher.
    »Sie werden uns fassen«, sagte Tristan Marlowe ganz außer Atem, »wenn das so weitergeht.«
    Seit einer halben Stunde mochten wir bereits auf der Flucht sein, und es war uns nicht gelungen, den Abstand zwischen den wütenden Stimmen und eiligen Schritten und uns zu verringern, im Gegenteil. Lauter und lauter wurden die Rufe, zorniger und zorniger die Schritte. Gerade so, als seien wir die Beute bei einer Treibjagd durch die Gassen der Stadt.
    »Wir werden uns trennen«, schlug ich vor. »Das ist die beste Lösung. Sie, Miss Laing, werden sich irgendwo mit Marlowe verstecken, und ich werde derweil die Polizei auf eine falsche Fährte locken.« Es war nicht schwer zu erkennen, dass dem Mädchen dieser Vorschlag alles andere als recht war. Emily hatte kein Interesse daran, mit Tristan Marlowe durch diese fremde Stadt irren zu müssen. »Es geht nicht anders«, betonte ich.
    »Ich werde auf das Mädchen aufpassen«, versprach Tristan Marlowe.
    Dafür hätte Emily ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen. Diese Arroganz! War sie etwa ein kleines Kind, das man bei der Hand nehmen musste, damit es sich nicht verläuft? Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein?
    Bevor sie jedoch etwas erwidern konnte, tauchten Schritte ganz in der Nähe auf.
    »Es gibt einen kleinen Laden in der Nähe des Palais Lucerna.« Ich sah den jungen Alchemisten an. »Sie wissen, welchen Laden ich meine.«
    Marlowe nickte nur geheimnisvoll.
    »Dort werden wir uns treffen. Morgen.« Ich nannte eine Uhrzeit. »Passen Sie auf sich auf.«
    Dann verließ ich Emily Laing und Tristan Marlowe, fest davon überzeugt, das Richtige zu tun. Ich lief in die

Weitere Kostenlose Bücher