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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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und Aurora Fitzrovia stürzten die Treppenstufen zur U-Bahn-Station hinunter. Selbst hier unten war überall der rote Sand, machte sich in jeder Ecke breit.
    »Auch das noch.« Der Junge begann zu fluchen.
    Ein eisernes Gitter versperrte den Zugang zum Bahnhof. Rost ließ den Lack abblättern.
    »Mist!« Neil rüttelte verzweifelt an dem Gitter. Das rostige Eisen quietschte und klagte, gab jedoch nicht nach.
    »Ich helfe dir.«
    Aurora packte mit an, zerrte mit Leibeskräften an dem Gitter.
    Nichts!
    Von weit hinter ihnen drang ein ohrenbetäubender Lärm zu ihnen vor. Die Wolke aus Taubenwesenleibern kam offenbar in die Unterführung herein. Laute Flügelschläge und boshaftes Knurren aus zahllosen Kehlen füllten den Gang und fanden ein schauriges Echo in der tiefschwarzen Dunkelheit hinter dem Gitter, das sich einfach nicht öffnen wollte.
    Ein Taubenwesen, das den anderen wohl vorausgeeilt war, prallte plötzlich gegen Auroras Brust, und lange Krallen bohrten sich in den Stoff ihrer Jacke. Das Mädchen schrie auf und schlug nach dem Tier, dessen gelblich grauer Schnabel nach ihrem Hals hackte. Aurora bekam das Taubenwesen zu fassen und riss es los, warf es zu Boden, und Neil trat augenblicklich mit dem Stiefel gegen den Kopf der Kreatur.
    Mit einem Krächzen schleppte sich das verwundete Taubenwesen zurück in Richtung der Treppenstufen. Die schwarzrunden zerknüllten Papieraugen blieben ohne jeglichen Ausdruck.
    »Mistviecher!«
    Aurora fragte sich, was sie tun sollten. In wenigen Augenblicken hätten die Taubenwesen sie erreicht. Und dann? Keiner von ihnen hatte eine Waffe. Und selbst wenn sie eine Waffe besessen hätten, was hätten sie schon tun können?
    »Alles okay?«, fragte Neil.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Gar nichts war in Ordnung.
    »Es geht dort nicht weiter«, sagte sie und wunderte sich selbst darüber, wie ruhig ihre Stimme klang. »Wir sind in einer Sackgasse, Neil. Und zurück können wir auch nicht mehr.«
    Schattenfetzen flatterten dort, wo die Treppe begann.
    In einem letzten hoffnungsvollen Aufbäumen zerrte Neil noch einmal an dem Gitter, sprang mit aller Kraft dagegen und trat mehrmals gegen die Scharniere. Er war zur See gefahren und kein kleiner Junge mehr. Das Gitter musste doch zu bewegen sein! Das Eisen sah alt und brüchig aus, und doch widersetzte es sich allen seinen Bemühungen.
    Ein letztes Mal noch.
    Er musste es einfach schaffen.
    Die Taubenwesen näherten sich, und er wollte nicht daran denken, was sie mit ihnen tun würden.
    Für Aurora.
    Musste das blöde Gitter nachgeben.
    Sie musste sich in Sicherheit bringen.
    Nur einen Spaltbreit musste sich das Gitter öffnen, das würde ausreichen. Dann könnte Aurora hindurchschlüpfen und …
    Nichts!
    Es bewegte sich einfach nicht.
    In der Düsternis hinter dem Gitter bewegte sich etwas.
    »Was war das?«
    »Es sah aus wie …«
    Die Wolke aus wilden Taubenwesenleibern kam hinter ihnen in Sicht.
    Spitze Schnäbel, Flügel, Schreie.
    Es war zu spät!
    »Ich liebe dich«, sagte Aurora.
    Neil antwortete: »Ich weiß«, und lächelte traurig.
    Sie sahen einander an. Aurora zitterte, als Neil sie in die Arme nahm. Sie musste an Maurice Micklewhite denken und hoffte, dass er Recht behalten würde und niemand, der im Beisein eines geliebten Menschen starb, die Ewigkeit jemals einsam verbringen musste.
    Buntes Licht ließ sie blinzeln, und der Traum, der ihr noch immer leise Worte zuflüsterte, verebbte langsam.
    Emily schlug die Augen auf und sah eine hohe Decke. Elegante Gemälde von einem Himmel und Engeln fanden sich dort oben, aus ihrer Sicht kitschig und aus einer Zeit, in der man eine gänzlich andere Vorstellung von dem Ort, der ein Himmel sein mochte, gehabt hatte. Draußen, vor den Fenstern, war es dunkel, und nur das dumpfe Leuchten, das des Nachts über Städten liegt, malte zappelnde Schatten auf die Fenster.
    Langsam kehrten die Erinnerungen an das, was geschehen war, zurück. An den Schuss und den Schmerz und daran, dass Tristan Marlowe sie dort berührt hatte, wo die Kugel in ihren Körper eingedrungen war. Etwas war geschehen, doch Emily wusste nicht mehr genau, was. Da war eine tosende Wärme gewesen, die wie Musik ihren Körper umgeben hatte. Ein Zerren in ihrem brennenden Bauch, dann ein brüllender Schmerz und ein Geruch, der sie an eine staubige Bibliothek im Sonnenschein erinnerte hatte.
    »Emily?«
    Die Stimme war über ihr.
    Nein, neben ihr.
    Sie öffnete den Mund, doch nur ein Krächzen kam heraus.
    Eine

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