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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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uns verschworen hatte.
    Wer immer den Spuk damit beauftragt hatte, den Mord in der Herberge auszuführen, hatte mich gut genug gekannt, um auf »Das grüne Gesicht« zu kommen. War es auszuschließen, dass der Fadenzieher im Hintergrund auch wusste, dass ich früher oft Kräuter und Steinpulver in dem kleinen Kramladen beim Palais gleich um die Ecke erstanden hatte? War es auszuschließen, dass man den Laden überwachte, weil man das, was ich gerade im Begriff zu tun gewesen war, genau so von mir erwartete? Von Tristan Marlowe und Emily Laing und mir? Wer, fragte ich mich, weiß so viel über Marlowe und mich, dass er zu all diesen Schritten fähig ist?
    Darüber nachdenken, beschloss ich, würde ich woanders. Tristan Marlowe und Emily Laing waren nicht am vereinbarten Treffpunkt erschienen, und das war kein gutes Zeichen. Es war etwas passiert, etwas Schlimmes, da war ich mir nun sicher. Andernfalls hätte Marlowe eine Nachricht hinterlassen, einen Hinweis, irgendetwas. Emily Laing und Tristan Marlowe waren in arger Bedrängnis, und Herr Bisselbeck, das vermutete ich, war es auch.
    Ich schaute mich um. Suchte in der grauen Menschenmenge nach einem Verfolger.
    Dann beschleunigte ich meine Schritte.
    Das Gefühl, verfolgt zu werden, blieb. Die nagende Angst, dass Emily Laing und Tristan Marlowe etwas zugestoßen war, ebenso.

Kapitel 6
Herzenshölle und Höllenherz
    Der Wüstenwind wehte über den Trafalgar Square, und Hundertschaften von Tauben stoben erschrocken auf. Der Himmel über London war blutrot gefärbt, und es war nicht schwer zu erkennen, dass die Stadt der Schornsteine, wie Aurora sie kannte, eine andere geworden war. Die National Gallery mit dem Canada House auf der Westseite und dem South Africa House auf der Ostseite starrte stumm auf den großen Platz mit der riesigen Säule, an deren Spitze sich nichts mehr befand außer den zersplitterten Beinen Lord Nelsons. In den beiden Brunnen sprudelte kein Wasser, und die Gerippe der Bäume sahen aus, als hätte hier vor kurzem noch ein wildes Feuer gewütet.
    London war zu einem wüsten Ort geworden. Doch nein, dies war nicht das London, aus dem sie geflohen waren. Nie und nimmer. Dieser Ort hier war etwas anderes.
    Etwas Schlimmeres.
    »Wir sind jetzt im Limbus«, vernahm Aurora Elizas Stimme, die kaum mehr als ein Windhauch war und kaum verständlich.
    »Aurora?« Das war Neil Trent.
    »Ich bin hier!«
    Der Junge saß neben ihr auf dem Teppich, der langsam zu Boden sank. Auf einen Boden jedoch, der Sand und Stein war. Die großen Löwen aus Bronze am Fuße des Denkmals schienen sich verändert zu haben. Ganz schwarz waren sie, als läge eine Schicht Ruß auf ihnen.
    Aurora konnte sich an das Flammengesicht erinnern, das sie mit seinen vielen Zungen gelockt hatte. Ja, hindurchgeflogen waren sie, und das mochte kaum mehr als ein Blinzeln zurückliegen, doch kam ihr diese Zeitspanne viel, viel länger vor, als sei sie mit einem Katzensprung ein ganzes Leben weit gereist und an einem Ort angekommen, der gar nicht mehr zu ihrer Welt gehörte. Nicht einmal Hitze hatte sie in den Flammen verspürt. Es war so anders gewesen, als mit dem Fegefeuer zu reisen.
    »Was ist das?« Neil rieb sich die Augen, und da erst bemerkte Aurora, dass er noch nicht wieder richtig sehen konnte. Er blinzelte benommen, verzog das Gesicht dabei und rieb sich abermals die Augen.
    »Ich bin hier«, sagte sie erneut.
    Sie fühlte seine Hand.
    Die ihre umfasste.
    »Wir sind in London.«
    Neil war verwirrt. Suchte die Orientierung. »Wo ist Eliza Holland?«
    »Liliza ist in ihrem eigenen Limbus«, wisperte El-Khamsin und wehte unter dem Teppich hervor, wirbelte schnell über den großen Platz und kehrte dann geschwind zu den beiden zurück.
    »Was meint Ihr damit?«
    Dort, wo Eliza gesessen hatte, war nur ein nahezu leerer Fleck, und die Konturen der jungen Frau, die eben noch da gewesen war, begannen ziemlich schnell zu verblassen. Eliza war durchsichtig geworden und hatte sich vor ihren Augen in Luft aufgelöst. »Ich sehe eine Stadt, in der ich einst gelebt habe. Es ist alles noch da, als wäre kein Augenblick seit damals vergangen.« Ihre Worte verblassten mit ihr, und schon war sie verschwunden, als sei sie niemals zuvor bei ihnen gewesen.
    »Wo ist sie hin?« Der Gedanke, dass Eliza sie allein im Limbus zurückließ, war alles andere als beruhigend. Und wenn sie sich noch immer in der Hölle befanden, dann wollte sie auf gar keinen Fall auf sich allein gestellt umherstreifen

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