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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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müssen.
    »Sie ist …« Selbst El-Khamsin war nur mehr ein laues Lüftchen, das verebbte. Ein leichter Hauch blies Aurora und Neil in die Gesichter, und dann war auch der Wüstenwind verschwunden.
    Nur der Teppich lag noch da, wo er seit ihrer Ankunft gelegen hatte.
    Neil bückte sich und berührte den Boden.
    Ein kalter Wind blies roten Staub über den Platz, der wie Trafalgar Square aussah und es doch nicht war. Pall Mall East und Cockspur Street lagen verwaist da.
    Dann kehrten die Tauben zurück.
    In Scharen.
    Hockten überall und begafften die Neuankömmlinge mit ihren schwarzen runden Augen.
    »Was sind das für Viecher?« Allein ihr Anblick war ekelerregend. »Sie sehen einfach …« Aurora suchte nach einer geeigneten Umschreibung. »Sie sehen einfach falsch aus.« Genau das war es, was sie beim Anblick dieser eigenartigen Wesen empfand. Sie waren falsch, nicht richtig.
    »Jedenfalls sind es keine Tauben«, stellte Neil fest und beobachtete die Tiere voller Argwohn.
    Sie sahen aus wie etwas, das ein Kind zu zeichnen versucht hatte. Das war es, woran Aurora denken musste. Entfernt besaßen sie Ähnlichkeit mit Tauben, doch das war auch schon alles. Die Federn mochten aus losen Hautfetzen bestehen, und die Schnäbel waren gelbgrau und gebogen. Die dunkelrunden Augen, die sonst friedfertig die Welt betrachteten, sahen aus wie schwarz angemaltes Papier, das jemand in Eile zu unförmigen Kugeln zusammengeknüllt und dann in die Köpfe der Tiere gestopft hatte.
    Sie gurrten nicht.
    Nein, sie stießen einen Ton aus, der tiefer war.
    Wenn Vögel knurren könnten, dachte Aurora, dann würde es sich so anhören.
    »Was sollen wir jetzt tun?«
    Neil, durch dessen Finger der feine rote Sand rieselte, erhob sich. »Eliza und der Wüstenwind sind fort. Ich habe keine Ahnung, wohin. Und das ist jetzt auch nicht wichtig.« Er trat mit langsamen, bedächtigen Schritten an das Mädchen heran, um die Taubenwesen nicht aufzuschrecken. »Wir sind allein, und wenn dies wirklich der Limbus ist, den Eliza gesucht hat, dann müssen wir wohl mit allem rechnen.«
    »Das klingt nicht sehr ermutigend.«
    »Wir werden es schon schaffen.«
    Sie sah dies alles etwas ernüchternder. »Was werden wir schaffen?«
    Er gab ihr einen Kuss. »Alles, Aurora. Einfach alles.« Dann lächelte er, und in diesem kurz aufflammenden Lächeln lag so viel Licht, dass das Mädchen die dunkelsten Winkel der Hölle damit hätte ausleuchten können.
    Die Taubenwesen hüpften unruhig auf den Köpfen der Bronzelöwen herum. Sie stießen einander fortwährend an und hackten mit den Schnäbeln nach den Leibern der anderen.
    »Ich mag diese Viecher nicht«, murmelte Neil.
    Aurora musste grinsen, obwohl ihr in dieser Situation bestimmt nicht danach zumute war. »Wäre auch bedenklich gewesen, wenn du es tätest.«
    Ratlos standen die beiden da.
    Neil ging langsam zu dem Teppich hinüber, mit dem sie hergekommen waren, und berührte ihn. Es war nur gewöhnlicher dicker Stoff mit einem orientalischen Muster. Nichts anderes mehr. »Der bringt uns jedenfalls nirgendwo mehr hin.« Er schaute sich um. »Der Lichtlord ist also irgendwo in dieser Stadt.« Ihn zu suchen war immer noch ihre Aufgabe. »Wir müssen ihn finden.« Ein Ziel zu haben war sicherlich nicht das Schlechteste in ihrer Situation. »Eliza Holland wird dort, wo sie gerade ist, wohl genau das Gleiche versuchen.« Und wenngleich Neil Trent nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie dies bewerkstelligen sollten, so gab ihm dieses Ziel doch den Mut, den Untätigkeit zunichte machen würde.
    »Aber wo könnte er sein?«
    »Das hier ist immer noch London. Na ja, nicht ganz, aber irgendwie schon.«
    »Du meinst, dass er an einem Ort sein könnte, an dem er schon einmal gelebt hat?«
    »Wäre doch möglich.«
    »Alles ist möglich«, antwortete sie zweifelnd.
    »Master Lycidas hat im Tower residiert und ist später in St. Paul’s gebannt worden.«
    »Du meinst, wir sollten in diesem London hier den Tower aufsuchen?«
    »Und St. Paul’s.«
    »Nachschauen, ob Lucifer sich dort befindet?«
    »Eine bessere Idee habe ich gerade nicht zu bieten«, gestand Neil. »Und das ist allemal besser, als hier zu bleiben und abzuwarten, was wohl als Nächstes geschieht.«
    Da hatte er Recht.
    Aurora fühlte sich gar nicht wohl auf diesem Trafalgar Square.
    Ein kalter Wind wehte.
    Kreischende Taubenwesen zogen am roten Himmel entlang. Die Häuser und Straßen sahen aus wie jene in London, jedoch nicht ganz. Es gab keinen Asphalt

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