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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Nasenlöchern und den starren Augen schaute aus dem Wasser heraus.
    »Woher kommt er?«
    »Aus Kew Gardens Hall«, sagte ich.
    Die Schatten tanzten auf der rauen Haut des Kaimans wie unruhige Teufel.
    Ich mag die Lederhäute nicht, murmelte die Rättin.
    Nager, dachte Emily, gehören wohl zur Nahrung der Kaimane. »Gibt es noch andere davon hier unten?«
    »Einige.«
    »Woher kommen sie?«
    Woher wohl?
    »Haben Sie sich niemals gefragt, was mit den Krokodilen und Kaimanen geschieht, die unbedarfte Reisende mit nach London bringen und dann, wenn sie zu wachsen beginnen und hungrig werden, die Toiletten hinabspülen?«
    Sie sah mich an. »Jetzt scherzen Sie.«
    »Sehe ich so aus?«
    Der Kaiman jedenfalls schwamm seines Weges.
    Beachtete uns kaum.
    Der schlanke Schwanz schlängelte sich elegant in der brackigen Brühe des schmalen Kanals.
    »Was ist das?«
    Ich folgte ihrem Fingerzeig.
    Am Rücken des Kaimans gab es einige Stellen, die seltsam trocken und farblos wirkten.
    »Es sieht aus, als habe er sich verbrannt.«
    »Im Wasser?«
    Ich zuckte die Achseln.
    Jetzt fiel mir auf, dass es das Tier sehr eilig hatte.
    »Schauen Sie!«
    Aus der Ferne kam ein weiterer Kaiman den Kanal hinabgeschwommen. Im Gegensatz zu dem ersten agierte dieses Tier eindeutig hektischer. »Es scheint vor irgendetwas auf der Flucht zu sein.«
    Emily schaute mich beunruhigt an.
    Der zweite Kaiman schwamm an uns vorüber und war in dem Dämmerlicht hinter uns verschwunden, bevor wir uns nähere Gedanken über die Beweggründe seines Handelns hatten machen können.
    »Etwas«, flüsterte Emily, »ist nicht in Ordnung.«
    Still standen wir da.
    Lauschten in den Tunnel hinein.
    Da war nur das leise Plätschern des Wassers, das den Kanal hinablief.
    Ein leichter Wind blies uns in die Gesichter. Er war schwülwarm, roch nach feuchter Erde und grünen Pflanzen.
    »Können Sie etwas erkennen?«
    Emily konzentrierte sich.
    Suchte in der Ferne vor sich nach Gefühlen, Gedanken.
    »Nichts.«
    »Kann das sein?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wer lebt in Kew Gardens Hall?«
    »Botaniker, Tiere, Erntehelfer«, antwortete ich, »und Pflanzen.«
    »Da ist niemand mehr.« Sie hielt inne. Lauschte. »Bis auf …«
    »Was?«
    »Ein einziger Mensch nur.«
    Vor uns trieb ein toter Kaiman den Kanal entlang.
    »Ist das eine Mumie?«
    Ich sah dem Kadaver hinterher. »Sah zumindest so aus.«
    Ganz ausgetrocknet war er gewesen.
    »Was geht hier vor?«
    Emily wurde unruhig.
    Vielleicht sollten wir von hier verschwinden, schlug Lady Mina vor.
    Noch bevor ich ihr eine Antwort geben konnte, kam etwas durch den Tunnel auf uns zugeflogen.
    Der gelb-schwarz gestreifte Körper schnellte wie ein Projektil durch die Luft, taumelte im Flug gegen die Wände und die Decke und verfehlte einige Male die Wasseroberfläche nur um Haaresbreite.
    »Eine Hymenoptera«, rief Emily alarmiert.
    Auch das noch.
    Die wespenartigen Kreaturen waren giftig und aggressiv. Vor einigen Jahren waren wir einer ganzen Horde dieser Spezies in der alten römischen Region unterhalb von St. Paul’s begegnet. Dessen eingedenk schien das Exemplar, das auf uns zutaumelte, kein Problem darzustellen. Mit einem widerlichen Knacken schlug es keine zwei Meter vor uns auf dem Boden auf und blieb reglos liegen, sah man einmal von den ruckartigen Zuckungen der durchsichtigen Flügel ab.
    Emily stand still und starrte das Insekt, das die Größe ihrer Hand hatte, an.
    »Ist es tot?«
    Vorsichtig trat ich einen Schritt vor. Das Surren der Flügel erstarb. »Sieht so aus«, murmelte ich, »als sei es keine Gefahr mehr.« Zögerlich tippte ich den gelb-schwarzen Körper mit der Stiefelspitze an, und als der Insektenkörper flink zuckte, trat ich instinktiv und äußerst hektisch mehrere Male mit dem Absatz darauf, bis nur noch eine Art Staub übrig war.
    Herrje, Mortimer, piepste die Rättin, die sich nur mit Mühe an meiner Schulter hatte festklammern können.
    Emily musste lachen, vor Schrecken und Erleichterung.
    »Ich hasse diese Viecher«, grummelte ich.
    Dann sah ich mir das Werk meines Stiefels genauer an.
    »Sie ist förmlich zu Staub zerfallen«, stellte Emily, die neben mich getreten war, fest. »Wie ist das möglich?«
    »So fest habe ich gar nicht draufgetreten.«
    Das Mädchen starrte mich an.
    Die Rättin ebenso.
    »Ein Scherz«, grinste ich nervös.
    Der einstmals schlanke Körper dieser Hymenoptera war schon vor meiner Stiefelattacke ausgetrocknet gewesen.
    Wie der Kaiman, stellte Lady Mina fest und hielt

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