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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Nebel?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Angestrengt überlegte er.
    Wühlte in den Papieren herum.
    »Miss Emily«, sagte er, »ist recht kratzbürstig. Ist sie immer so?«
    Aurora fragte sich, warum er das wissen wollte. »Eigentlich eher nicht.«
    »Hm.«
    Das war alles.
    »Haben Sie mich deswegen hergerufen?«
    Die hellen Augen musterten sie verwirrt. »Habe ich das?«
    »Sie haben …«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ja, sicher. Entschuldigen Sie, ich grüble ein wenig.«
    Aurora verkniff sich eine weitere Frage.
    »Nehmen Sie doch Platz.«
    Sie setzte sich.
    »Hier!« Mit dem Finger klopfte er auf dem großen Buch herum, das vor ihm zuoberst auf dem Stapel lag.
    Aurora sah sich an, was er ihr zeigte.
    Eine alte Karte war es, welche die Gegend zwischen dem See Genezareth und dem Toten Meer zeigte. Sie las die Namen von Städten. Jericho, Amman und Jerusalem kannte sie. Bab edh-Dhra, Safi, Khanazir, Feifa und Numeira jedoch waren ihr unbekannt.
    »Dies«, verkündete Tristan Marlowe freudig, »sind die fünf Städte der Ebene.« Er sah sie an, und selbst dieser Blick erinnerte sie an Maurice Micklewhite. Es war die Art und Weise, wie er auf literarische Art Detektiv zu spielen versuchte. Jene kindliche Begeisterungsfähigkeit, die so gar nicht zu seinem unfreundlichen und reservierten Äußeren zu passen schien.
    Emily, dachte Aurora mit einem Mal, müsste ihn eigentlich mögen.
    »Was haben die Städte mit dem seltsamen Nebel zu tun?«
    »Nichts!«
    Typisch Marlowe!
    Er war sehr sprunghaft in seiner Art, mit Dingen umzugehen. Gedanken. Informationen.
    Seine Art, mit Menschen umzugehen, war ähnlich.
    »Aber?«
    »Ich habe in den alten Überlieferungen nach Gemeinsamkeiten gesucht. Nun ja, vermutlich haben die Texte doch etwas mit den Nebeln zu tun.« Er verbesserte sich schnell: »Nicht unbedingt so eindeutig, wie es den Anschein hat, aber …« Unruhig nippte er an seinem Tee. Atmete durch. Seufzte. »Es könnte sein.« Erwartungsvoll las er erneut die Zeilen und studierte die Karte. »Verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will?«
    Aurora schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid.«
    »Hm, hm, hm. Kennen Sie wenigstens die Geschichte von Sodom und Gomorrha?«
    »Ich habe davon gehört.«
    Er fuhr sich mit der Hand durch das lange struppige Haar mit den blau schimmernden Strähnen. »Mein Fehler, Aurora, ich sollte dort beginnen, wo ich angefangen habe.« Die hellen Augen leuchteten vergnügt. »Denn als ich von Varuna und der Arche und den Nebeln erfahren habe, da kam mir diese Geschichte bekannt vor. McDiarmid hatte mir damals aufgetragen, mich mit den alten Schriften bekannt zu machen. Qumran, Altes Testament, Apokryphen. Sie wissen schon … Nun ja, um es kurz zu machen … es gibt wohl einige Geschichten, in denen sündige Menschen von den Gottheiten bestraft werden, und alle diese Geschichten weisen ähnliche Elemente auf. Die Mesopotamier glaubten an die Rache des Wolkengottes und erzählten sich davon, dass Varuna eine Arche gebaut hatte. Die Griechen schrieben einst die Geschichte des Königs Tantalos nieder, der die Götter erzürnte, weil er ihnen, anmaßend und boshaft, wie er war, den eigenen Sohn zum Abendessen vorsetzte, was die Gottheiten gar nicht lustig fanden und die Stadt Tantalis von einem Erdbeben zertrümmern und anschließend in den Fluten versinken ließen.«
    Gespannt lauschte Aurora den Worten des jungen Bibliothekars und dachte, für einen Moment nur, an Neil Trent, der, wie man ihr berichtet hatte, ebenfalls von den Fluten verschluckt worden war.
    »Als die griechischen Götter Zeus und Hermes in Menschengestalt eine Stadt in Phrygien besuchten«, fuhr Tristan Marlowe fort, »und nach diesem Besuch in höchstem Maße erzürnt waren über die schäbige Behandlung, die ihnen zuteil geworden war, da zerstörten sie kurzerhand die gesamte Stadt, und nur das arme alte Ehepaar, von dem sie Nahrung und Unterkunft erhalten hatten, kam mit dem Leben davon.« Nachdenklich murmelte er: »Philemon und Baucis, so wurden die beiden genannt, wenn ich mich recht entsinne.« Er hatte die Angewohnheit, mit den Ringen an seinen Fingern zu spielen, wenn er redete, was Aurora manchmal ganz nervös machte, konnte sie den Blick doch dann gar nicht mehr abwenden von den hektischen Bewegungen der Finger.
    »Und die Nebel?« Aurora sah noch immer keine Verbindung zu der Gefahr, die durch Londons Straßen kroch.
    »Warten Sie’s ab, Aurora, ja, warten Sie’s nur ab.« Er nippte an dem Tee. Deutete

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