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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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die kleine Nase in den Wind, der durch den Tunnel blies. Es riecht mit einem Mal anders, findet ihr nicht auch?
    »Was meinst du?«
    Die Luft riecht nicht mehr nach Wildnis. Sie ist ganz trocken geworden.
    »Stimmt.«
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Emily.
    »Das«, mutmaßte ich, »werden wir wohl nur erfahren, wenn wir weitergehen.«
    Es war unschwer zu erkennen, dass ihr dieser Vorschlag nicht wenig missfiel.
    Trotzdem.
    Eine andere Lösung gab es nicht.
    »Kommen Sie!« Mit einem wachsamen Blick auf den zu Staub zerfallenen Kadaver der Hymenoptera stieg ich über ihn hinweg und folgte dem Verlauf des Stegs.
    Im Kanal wurden jetzt weitere tote Tiere angespült. Einige Ratten, Insekten, eine Fledermaus und etwas, das wie die Überreste eines schwarzen Vogels aussah. Ich spürte Lady Minas angespannte Krallen an meiner Schulter und Emilys wachsame Blicke in meinem Rücken.
    Vorsichtig setzten wir einen Fuß vor den anderen.
    Trockene Luft wehte uns entgegen.
    Emily musste an die Wüste denken, an gleißende Sonnenstrahlen, die alle Feuchtigkeit verdampfen ließen. Pandaemonium. An den Flug auf dem Teppich und den Wüstenwind.
    Für einen Moment nur schloss sie die Augen.
    Ihr schwindelte.
    Sie spürte die Gedanken eines Menschen, den sie kannte.
    »Da ist jemand«, sagte sie leise, »der uns warnen will.«
    »Wer?«
    Sie konzentrierte sich, aber der Raum, in dem die Gedanken schwammen, war ein einziges Durcheinander aus Gefühlen, Furcht und Schmerz. »Ich weiß es nicht.«
    »Ist es schlimm?«
    Sie nickte. »Es tut weh.«
    Ich blieb stehen. »Lassen Sie los!«
    Sie tat, wie ihr geheißen wurde. Verließ den Raum, der das Bewusstsein der unbekannten Person beherbergte.
    »Wenn dort vorne jemand ist, dann werden wir ihn finden.«
    So gingen wir weiter.
    Langsam.
    Vorsichtig.
    Und erreichten den Ort, der einst Kew Gardens Hall gewesen war. Das, was wir sahen, raubte uns schier den Atem. Emily schlug erschrocken die Hände vor den Mund und trat dicht neben mich. Sie zitterte am ganzen Körper, und Tränen liefen ihr über das Gesicht, weil man trotz der Zerstörung noch immer erahnen konnte, wie schön dieser Ort einst gewesen sein musste.
    Etwas Furchtbares musste nach London gekommen sein. Etwas, schlimmer noch als die Nebel.
    Dann vernahmen wir den Schrei, und die Welt begann sich wieder einmal schneller zu drehen.

Kapitel 5
Dürre
    Mit einer Tasse Tee in der Hand saß Tristan Marlowe über einem ungeordneten Haufen Bücher und Pergamente und spähte durch das Monokel auf die staubigen Zeilen vor ihm in der stillen Hoffnung, einige bedeutsame Hinweise darauf zu finden, was es mit den Nebeln und anderen Dingen auf sich hatte. Wie er so dasaß, erinnerte er Aurora mehr als nur ein wenig an ihren verstorbenen Vater, von dem sie so lange nicht einmal geahnt hatte, dass es ihr Vater war. Maurice Micklewhite. Damals, als der Reverend sie in die enge Zelle im Keller des Waisenhauses gesteckt hatte und der ganz in Weiß gekleidete Elf Master Micklewhite sie am nächsten Morgen aus dem kläglichen Elend befreit und ins Britische Museum mitgenommen hatte, da hatte sie sich sogleich zu Hause gefühlt. Die weiten Räume der Nationalbibliothek, die noch immer nach dem Staub von Jahrhunderten rochen, der sich zwischen den Buchrücken und Seiten festgesetzt hatte, waren von dem Moment an, als sie den Fußüber die Schwelle gesetzt hatte, ihre Heimat geworden. Sie wohnte in einem netten Haus drüben in Hampstead Heath, und die Quilps waren wirklich liebevolle Pflegeeltern, doch daheim fühlte sie sich hier in der Nationalbibliothek.
    Jetzt stand sie zwischen den Regalreihen und suchte nach alten Werken, die Aufschluss über die Dinge, die London heimsuchten, geben konnten. Das war es, was sie gut konnte. Bücher sortieren, katalogisieren, inmitten all der Werke nach Informationen suchen. Ja, sie liebte es zu recherchieren, und das war eine Leidenschaft, die ihr Maurice Micklewhite hinterlassen hatte. Zumindest war allein der Gedanke, dies könne so sein, schon tröstlich.
    »Aurora«, rief Tristan Marlowe ihr zu, »da ist etwas, das wir uns anschauen sollten.« Meine Güte, dachte sie, sogar die geistesabwesende Art, wie er nach ihr rief, erinnerte an Maurice Micklewhite. In Gedanken steckte Marlowe ganz zwischen den Zeilen, die da vor ihm ausgebreitet lagen.
    Aurora, die nach der Encyclopaedia Biblica gesucht hatte, ging zu dem jungen Bibliothekar hin und fragte sich, was er gefunden hatte.
    »Etwas Neues bezüglich der

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